Exkurs: EML und CSI

Elevated Mixed Layer (EML) – entkoppelte durchmischte Schicht

Auftreten

Die EML findet man typischerweise im Sommer auf einer Trogvorderseite über dem Atlantik, manchmal auch über dem zentralen Mittelmeerraum. Mit der südlichen bis südwestlichen Höhenströmung wird die trockene Luftmasse von Nordafrika über Spanien („Spanish Plume“) und Frankreich bis nach Mitteleuropa advehiert, am Balkan auch auf direktem Wege von Afrika her.

Entstehung

Über der Sahara bzw. der Hochebene Spaniens wird die bodennahe Grenzschicht durch die kräftige Tageserwärmung erhitzt und gut durchmischt. Mit südwestlichen Strömungen wird die durchmischte Schicht angehoben, etwa über dem Atlasgebirge oder den Pyrenäen.

Alternative Entstehungsarten sind ….

i) Dry Intrusion: Rückseitig eines Sturmtiefs strömt maritime Polarluft ein, die meist ausgeprägte Temperaturrückgänge in der mittleren Troposphäre zeigt. Diese sind das Hauptmerkmal der EML.  Sobald diese die bodennahe feuchte Grenzschichtluft überströmt, entsteht potentielle Instabilität. Im Umfeld von Sturmtiefs ist die Hebung oft stark genug, um die potentielle in bedingte Instabilität umzuwandeln und freizusetzen.

ii) Föhn: Föhn, der nicht bis zum Boden durchgreift, kann eine der EML ähnliche Schicht erzeugen. Durch trockenadiabatisches Absinken im Lee des Gebirges schiebt sich ein Warmluftdeckel über die feuchte Grenzschicht. Isolierte Gewitter wachsen jedoch bei günstigen Scherungsverhältnissen rasch zu Superzellen heran. Bei Südföhnlagen am Alpennordrand bringt etwa jede neunte von zehn Superzellen großen Hagel hervor.

EML-Bildung über den USA (a), als Spanish Plume (b) und durch Südföhn (c)

a) Der Klassiker: Zufuhr feuchtwarmer Luftmassen vom Golf von Mexico. Gleichzeitig wird über den Great Plains heiße Luft produziert und als EML ostwärts advehiert. Am Überschneidungsort braut sich das gefährliche Wetter in den USA mit Superzellen und Tornados zusammen. Dieser Mechanismus widerspricht den oft zitiertem „Zusammenprall“ von warmen und kalten Luftmassen.

b) Die Blockade: Ohne die Alpen hätte die Mittelmeerluft bei Südanströmung ungehinderten Zugang nach Mitteleuropa und amerikanische Verhältnisse. So aber ist die Feuchtezufuhr etwas abgeschwächter, da zumindest nördlich der Alpen eine gewisse Wegstrecke zurückgelegt werden muss, wobei sich die Luftmasse über Land abtrocknet. Nur in der Zeit der Vegetationsblüte, wenn ein Teil der Feuchtezufuhr durch Evapotranspiration hausgemacht ist, kann man mit anständig hoher absoluten Feuchte rechnen.

Die feuchte Mittelmeerpampe findet nur zwischen Pyrenäen und Westalpen sowie zwischen Ostalpen und Dinariden seinen direkten Weg nach Südfrankreich bzw. in die Pannonische Tiefebene. Trockene Saharaluft erzeugt die EML im zentralen und östlichen Mittelmeerraum, während in Südwesteuropa und für die Britischen Inseln eher Atlasgebirge und Spanische Hochebene verantwortlich sind.

c) Die Ersatz-EML: Unmittelbar nördlich der Alpen läuft es bei Südföhn anders ab. Eine bestehende EML wird durch Föhn verstärkt bzw. aufrechterhalten. Die bodennahe Feuchtezufuhr erfolgt leetiefbedingt mit Nord- und Ostwind, auch das alpine Pumpen spielt hier eine Rolle. Hagelkörner mit 5-7 cm Durchmesser wurden auch im südbayrischen Alpenvorland schon beobachtet.

Identifikation

Klassische EML (links) und durch Föhn erzeugt (rechts)

Im Radiosondenaufstieg erkennt man die EML leicht am trockenadiabatischen Temperaturverlauf, während der Taupunkt gleichzeitig den Linien gleichen Mischungsverhältnis folgt. Im Beispielfall über Brindisi, Süditalien (links),  ist die EML besonders markant ausgeprägt und wurde zum Balkan nordwärts advehiert, wo Gewitter mit Hagel von 3,5 cm Durchmesser auftraten.

Die Münchner Sonde (rechts) ist schon relativ weit vom Alpenvorland entfernt, dennoch macht sich der Südföhn hier ebenfalls durch eine gewisse Austrocknung und EML-artige Schicht bemerkbar. Wenige Stunden später trat in Rosenheim mit einer Superzelle ein markanter Hageldownburst auf.

Auswirkungen

Die EML wird zunächst die Entstehung von hochreichender Feuchtkonvektion aus der darunter liegenden feuchtwarmen Grenzschicht hemmen. Sie wirkt wie ein Deckel auf einem Kochtopf. Die Feuchte sammelt sich somit beständig unter diesem Deckel an, kann aber nicht entweichen. Feuchtequellen sind z.B. Verdunstung über Land und Meer oder von Pflanzen (Evapotranspiration). Ohne Bildung von Feuchtkonvektion bleibt der Himmel meist wolkenlos, sofern nicht hohe Wolken durch ein warme Förderband advehiert werden, und es kann ungehindert einstrahlen. Dadurch entsteht potentielle Instabilität, weil eine trockene Schicht eine feuchtwarme Bodenschicht überlagert.

Existiert nun ein Hebungsmechanismus , so können aufsteigende Luftpakete aus der Grenzschicht den Deckel überwinden, und frei aufsteigen. Diese Hebungsmechanismen sind z.B. die Einstrahlung selbst, die Advektion von Warmluft und Feuchte, die Abkühlung der EML oder hochreichende Hebung der gesamten Luftsäule. Die potentielle Instabilität wird dadurch freigesetzt.

Wenn ein warmes Förderband zusätzlich feuchte Luft in den mittleren Schichten oberhalb der EML herantransportiert, dann kann von der Obergrenze der EML Konvektion ausgelöst werden, die man zunächst als die bekannten Gewittervorboten Ac cas sieht und bis zu Cbs auswachsen können, die dann durch Niederschlag und Feuchteanreicherung in den unteren Schichten bis in die feuchtwarme konvektive Grenzschicht absinken, zuvor aber von ihr entkoppelt sind.

Gewitter, die sich aus einer bedingt labilen subtropisch-kontinentalen Luftmasse entwickeln, erzeugen nicht zwingend Unwetter. Dies hängt von folgenden drei Faktoren ab:

  • eine deckelne Inversion an der Untergrenze der EML, welche stark genug ist, um möglichst lange feuchte Luft unterhalb der EML zu sammeln und nicht frühzeitig durch (verbreitete) Konvektion freigesetzt wird.
  • möglichst steiles Temperaturgefälle innerhalb der EML, aber auch darüber, damit aufsteigende Luftpakete starken Auftrieb erlangen können.
  • Die Freisetzung der Labilität geschieht bestenfalls in einer stark gescherten Umgebung

Sind alle Faktoren erfüllt, dann kann es zu Schwergewittern mit großem Hagel (dank der EML), Downbursts (bei feuchtwarmer Grenzschicht) und Tornados (durch die starke Umgebungsscherung) kommen. Da die Advektion subtropischer Luftmassen über das Mittelmeer in der Regel mit sehr hohen Theta-e-Werten verbunden ist, ergibt sich zusätzlich das Risiko heftiger Regenfälle, besonders wenn die hochreichende Scherung 10 m/s nicht überschreitet.

Die Hagelunwetter in München (12.Juli 1984), Leipzig (16. Juni 2006) oder Villingen-Schwenningen (28.Juni 2006) wiesen alle eine EML auf. Es ist also anzunehmen, dass die Präsenz einer solchen stark mit der Entstehung von (großen) Hagel verknüpft ist.

1Doswell, C, A., III, H. E. Brooks and R. A: Maddox, 1996: Flash Flood Forecasting: An Ingredients-Based Methodology. Wea. Forecasting, 11, 560-581.

Exkurs CSI

Nein, nicht Miami. Die Abkürzung steht für conditional symmetric instability. Vereinfacht gesagt handelt es sich um Trägheitsinstabilität, die entsteht, wenn eine Luftmasse hochreichend sehr feucht bzw. gesättigt ist und gleichzeitig hochreichend Windscherung vorhanden ist. In der Praxis können sich dann auch bei an sich stabiler Luftschichtung bänderförmige Schauer entwickeln.

Eine  Erklärung findet sich hier . Relevante Passagen übersetzt:

CSI führt zu kräftigen, bänderförmigem Schneefall, der typischerweise 3-4 Stunden andauert. Diese Schneebänder sind 100-400km lang und 50-100km breit, CSI ist also ein mesoskaliges Phänomen.

Im Gegensatz zu anderen Formen der Instabilität wird ein Luftpaket als schwach schwere- und trägheitsstabil betrachtet, zugleich aber instabil, wenn es schräg versetzt wird. Schwerestabilität, auch bekannt als statische Stabilität, hängt mit Vertikalbewegungen zusammen. Wenn ein Luftpaket in einer statisch stabilen Umgebung versetzt wird, kehrt es an seinen Ausgangsort zurück. In einer statisch instabilen Umgebung beschleunigt es hingegen vom Ausgangsort weg, wenn es einmal angestoßen wurde. In einer statisch neutralen Umgebung bleibt ein Luftpaket an seiner neuen Position, nachdem es versetzt wurde, beschleunigt aber nicht weiter.

Bei Trägheitsstabilität handelt es sich um das gleiche Konzept wie bei statischer Stabilität, nur bezieht sich die Versetzung hier mehr auf die Horizontale und weniger auf die Vertikale.

Auf folgende Arten kann diese ungewöhnliche Instabilität festgestellt werden:

Quelle: © COMET Program

1. Im Skew-T-Diagramm muss das Vertikalprofil nahezu gesättigt sind. Dann kommt der bedingte (conditional) Anteil der CSI ins Spiel. Ebenso eine Rechtsdrehung des Windes mit der Höhe (Warmluftadvektion). Auf der antizyklonalen Seite eines Jetstreams kann CSI freigesetzt werden.

500-1000 hPa Schichtdicke (m), Analyse für den 20.01.2016, 00z

Zweitens kann ein Querschnitt die Gebiete mit CSI identifizieren. Eine Bedingung bei dieser Methode ist, dass der Querschnitt senkrecht zum thermischen Wind stehen muss. Dies kann getan werden, indem man einen 500-1000 hPa Schichtdicken-Plot heranzieht und den Querschnitt senkrecht zu den Schichtdickenkonturen plottet. Der thermische Wind weht parallel zu den Schichtdickenkonturen. Schneefallbänder, die durch CSI-Freisetzung entstehen, sind parallel zum thermischen Wind ausgerichtet.

(Für Europa kann man hierfür die Relative-Topographie-Karten von wetter3.de heranziehen)

Der Autor des übersetzten Beitrags schreibt danach weiter, dass man nun nur noch die Sättigungsäquivalentpotentielle Temperatur und die geostrophischen Impulskonturen in den Querschnitt plotten muss. Das ist der Punkt, wo nicht nur die meisten Leser aussteigen, sondern beide Parameter schlicht nicht vorhanden sind im üblichen Handwerkzeugs eines Meteorologen.

Die gesättigte Variante von Thetae ist notwendig, weil es sich um ein gesättigtes Aufstiegsprofil handelt. Geostrophisches Momentum wird benötigt, weil Luftpakete ihr Momentum bewahren. Im Fall von CSI müssen die Theta-es -Konturen stärker geneigt sein als die Momentumkonturen.

CSI tritt typischerweise nördlich einer Warmfront auf im Bereich großräumiger Hebung, im rechten Eintrittsbereich eines Jetstreaks.