Föhn

Inhaltsübersicht:

1. Definition (WMO; 1992)

Föhn ist ein Wind, der – im Allgemeinen – auf der Leeseite von Gebirgen durch Absinken wärmer und relativ trockener wird.

Entgegen der Meinung vieler Lehrbücher und Enzyklopädien im Internet ist der Föhn kein Fallwind.

Fallwind impliziert, dass ein Gegenstand aufgrund der Schwerkraft fällt bzw. infolge einer größeren Dichte gegenüber dem umgebendem Medium absinkt. Das trifft bei Föhn nicht zu. Föhn ist ein Überströmungseffekt, der einem Kräftegleichgewicht folgt (siehe Flachwassergleichungen).

Die stürmischen Föhnwinde resultieren (neben zwei- und dreidimensionalen Venturi- und Bernoulli-Effekt) aus Leewellen, deren Phase sich mit der Höhe stromaufwärts verschiebt und dadurch zu einer Drängung der Stromlinien auf der Leeseite führt. Leewellen können mit Hilfe des Scorer-Parameters vorhergesagt werden, der sich aus der Brunt-Väisälä-Frequenz und der vertikalen Windscherung zusammensetzt. Da es sich beim Föhn vorwiegend um ein durch Wellenbildung induziertes Strömungsphänomen handelt, ist der Begriff Fallwind daher irreführend.

Im Gegensatz dazu sind katabatische Strömungen, die der Schwerkraft folgen, tatsächlich Fallwinde. Diese entstehen, wenn Niederschlag in trockener Luft verdunstet und die Verdunstungskälte die Luft abwärts beschleunigt (Fallböen in Schauern/Gewittern: Downbursts) , wenn sich durch langwellige Ausstrahlung Kaltluft ansammelt und abfließt (Hangabwinde) , oder wenn Luft über einen kalten Untergrund strömt und sich dadurch abkühlt (Gletscherwinde).

Föhn ist aber nicht zwingend auf ein Gebirge angewiesen, daher der Zusatz in der Definition im Allgemeinen: In Meeresstraßen mit Verengung wie bei einem Gebirgspass, beispielsweise die Shelikof Strait zwischen Alaska und den Inseln Kodiak und Afognak oder die San Juan de Fuca Strait vor der US-Westküste von Washington, kommt es zur Strömungsbeschleunigung und Erwärmung stromabwärts der Engstelle.

Der Zusatz im Allgemeinen bedeutet: Föhn kommt auch ohne (!) Gebirge vor, beispielsweise in der Shelikof Strait oder San Juan de Fuca Strait, beides Meeresstraßen mit Verengung wie bei einem Gebirgspass (gap flow) und Strömungsbeschleunigung und Erwärmung stromabwärts der Engstelle.

2. Wann entsteht Föhn?

Abseits dieser Spezialfälle bewegen wir uns bei Föhnströmungen meist in gebirgigen Regionen: Mittelgebirge, Alpen, Norwegisches Küstengebirge, Pyrenäen, Rocky Mountains, Anden, etc…

Im Gebirge entsteht Föhn, wenn die Gebirgsbarriere

  • möglichst normal zur Strömung steht
  • zwei unterschiedliche Luftmassen trennt.

Der erste Fall trifft auf alle Gebirge zu, unabhängig von deren Größenordnungen. Ein kleines Mittelgebirge wie der Odenwald oder die Eifel kann ebenso Föhn erzeugen wie die große Gebirgskette der Alpen:

Fall 1: Luvhoch und Leetief bei Anströmung der Alpen von Süden her

Abb.1: Föhn durch Anströmung

Wenn ein Hindernis angeströmt wird, dann wird die Luftströmung langsamer und wird teilweise oder ganz blockiert. Die Dicke dieser Luftschicht nimmt zu (in Tälern besonders gut ersichtlich), und damit auch die Höhe der Luftsäule. Der Luftdruck steigt und bildet einen sogenannten Luvkeil. Nach dem Überströmen des Gebirges wird die Luftströmung wieder schneller, entsprechend nimmt seine Dicke ab und der Luftdruck sinkt. Es bildet sich ein sogenannter Leetrog aus. Das Druckgefälle wird durch den Wind ausgeglichen – dieser erwärmt die Luft beim Abstieg leeseitig: Föhn.

Fall 2: Hydrostatisches Süd-Nord-Druckgefälle mit Ausgleichströmung über Gebirgseinschnitte

Abb.2: Föhn durch unterschiedlich temperierte Luftmassen nördlich und südlich der Alpen

Hingegen beobachtet man den zweiten Fall nur bei genügend langen Gebirgen, die zwei unterschiedliche Luftmassen über längere Zeit hinweg zu trennen vermögen. Dies wird bisweilen auch als „hydrostatisch induzierter „ Föhn bezeichnet, da alleinig die Luftmassenunterschiede (z.B. mit Kaltluft in der Poebene und wärmerer Luft im Alpenvorland) eine Ausgleichströmung erzeugen, selbst wenn kaum oder gar keine Anströmung existiert.

Auch das ist leicht vorstellbar, wenn man sich die Eigenschaften der Luftmassen näher betrachtet: Kältere Luft weist eine höhere Dichte als Warmluft auf und somit auch einen höheren Druck. Das Druckgefälle resultiert also nur aufgrund der Dichteunterschiede. Die Föhnströmung ist jedoch meist nur seicht und vermag lediglich über tief gelegene Gebirgseinschnitte (z.B. Reschenpass oder Brennerpass) nördlich des Alpenhauptkamms vorzudringen. Derartige Konstellationen finden sich häufig dann, wenn Kaltluft um die Ostalpen herum zur Adria (mit Bora an den Dinariden) und in die Poebene strömt , während nördlich des Hauptkamms auf der Vorderseite eines Tiefs über Westeuropa wärmere Luft herantransportiert wird.

Entscheidend ist das Druckgefälle in Bodennähe, das auch ohne Druckgefälle in Kammniveau (erzeugt durch Anströmung) eine Ausgleichsströmung induzieren kann. Dies sollte auch bei der Vorhersage beachtet werden, wenn zwar in der Höhe kräftige Winde simuliert werden, aber bodennah kaum oder gar ein umgekehrter Druckgradient vorhanden ist.

Neuere Untersuchungen, z.B. ALPERS ET AL. (2007)  zur Adria-Bora oder zur russischen Novorossiyskaya-Bora am Schwarzen Meer zeigen, dass das Druckgefälle durch das vergleichsweise warme Meer noch verstärkt werden kann und Föhn bzw. Bora beschleunigt.

3. Exkurs – zum Begriff der Durchmischung

Durchmischung beschreibt den Vorgang, bei dem ein vertikaler Luftmassenaustausch durch Turbulenz stattfindet.

Bei einer längeren Hochdrucklage im Winterhalbjahr kann sich in Tal- und Beckenlagen, vor allem aber in Dolinen, durch die langwellige Ausstrahlung in der Nacht ein Kaltluftsee bilden. Am Oberrand des Kaltluftsees entwickelt sich eine Temperaturinversion, d.h. die Temperatur mit der Höhe zu. Genügend Feuchte vorausgesetzt bildet sich an der Inversionsgrenze Hochnebel. Oberhalb der Inversion herrscht sehr gute Fernsicht und es scheint ganztägig die Sonne, während sich unterhalb der Inversion Luftschadstoffe bzw. Feinstaub ansammeln und die Luft trüb-dunstig bleibt.

In diesem Fall unterbindet die Inversion die Durchmischung, da die wärmere Luft oberhalb der Inversion auf dem Kaltluftsee aufliegt und kein Bestreben da ist, in den Kaltluftsee abzusinken. Wird nun kältere Luft über den Kaltluftsee geführt (z.B. durch eine Kaltfront), so wird die Warmluft oberhalb des Kaltluftsees kühler und und die Temperaturinversion schwächt sich ab bzw. löst sich ganz auf. Nun kann die advehierte Kaltluft, die schwerer ist als die Luft im Kaltluftsee bis zum Tal- oder Beckenboden vordringen. Dabei vermischen sich die Luftmassen des ehemaligen Kaltluftsees und der advehierten Kaltluft solange, bis sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat (der mehr oder weniger stabil ist). Man spricht dann von einer durchmischten Luftschicht. Sie weist einen konstanten Wert an Luftverschmutzung, des Mischungsverhältnisses (von feuchter zu trockener Luft) und der potentiellen Temperatur auf, d.h. die Luft erwärmt sich trockenadiabatisch mit 1K pro 100m. Die potentielle Temperatur ist diejenige Temperatur, die man erhält, wenn man ein Luftpaket trockenadiabatisch auf 1000 hPa absteigen lässt.

Abb.3: Radiosondenaufstieg von Innsbruck am 17.11.2002, 04 MEZ

Föhn kennzeichnet sich durch eine trockenadiabatische Luftschichtung, im Idealfall (nicht immer) ist auch das Mischungsverhältnis konstant, d.h. in einem Vertikalprofil der Temperatur folgt der Taupunkt den Linien gleichen Mischungsverhältnisses. Im obigen Radiosondenaufstieg vom 17. November 2002, als sich ein verheerender Südföhnorkan im Nordalpenraum ereignete, ist ein solcher Idealfall aufgezeigt. Rechts ist die Temperatur-, links die Taupunktskurve. Bodennah ist eine gesättigte Luftschicht vorhanden, darüber nimmt die Temperatur trockenadiabatisch ab, der Taupunkt folgt den (lila) Linien gleichen Mischungsverhältnisses. Im grün markierten Bereich herrscht folglich Durchmischung. Entsprechend treten hier auch Südostwinde (Föhn) auf, oberhalb der Föhnschicht Südwestwinde.

4. Gegenüberstellung Thermodynamische Föhntheorie – Moderne Föhntheorie

4.1 Thermodynamische Föhntheorie – „Swiss Foehn“

Die in deutschen Lehrbüchern bis heute dargelegte Theorie des Föhns bedient sich vorwiegend des thermodynamischen Ansatzes: Föhn entsteht ausschließlich durch Wolken- und Niederschlagsbildung im Luv, mit resultierender Kondensationswärme. Diese verringert die Abkühlung beim luvseitigen Aufstieg der Luftmasse, und beim anschließenden Abstieg der gleichen Luftmasse im Lee erwärmt sich die Luft trockenadiabatisch.

Als Beispielliteratur für diese Föhntheorie seien genannt:

  • Populärliteratur: Balzer (1982), Roth (1998)
  • Lehrbücher: Lijequist, Cehak (1984), Häckel (1999), Kraus (2000), Weischet (2002), Schönwiese (2003)

Die Föhntheorie ist nach den Autoren deswegen anwendbar, weil angenommen wird, dass bei Föhnlagen immer Niederschlag auf der Luvseite auftritt und ferner die Luftmasse im Luv immer über die Gebirgskette ins Lee strömt. Sie ist auch unter dem Begriff „Swiss Foehn“ bekannt, da die Mehrzahl der Föhnereignisse in der Schweiz mit Niederschlag im Luv verbunden sind (bisweilen bei starkem Wind auch Verfrachtung von Niederschlag ins Lee, dann Dimmerföhn genannt, siehe KUHN (1989). Dimmerföhn kann überall auftreten, etwa sind 50 % aller Nordföhnereignisse im Oberinntal von Niederschlag begleitet.

Seit Mai 2015 definiert die WMO Dimmerföhn folgendermaßen:

Eine Form von Föhn, in der sich feuchte Luft über einen Gebirgskamm erstreckt und dabei Niederschlag und geringe Sichtweiten ungewöhnlich weit bis in den Leebereich erzeugt.

 

Abb.4: Schweizer und Österreichischer Föhn in der Gegenüberstellung

Schematische Skizzierung von a) alter Föhntheorie und b) neuer Föhntheorie

Laut Statistiken für Innsbruck sind wenigstens 50% der Föhnfälle nicht mit Niederschlag auf der Luvseite verbunden (SEIBERT 1989) und 1-5% der starken Föhnlagen weisen weniger als 20% Wolkenbedeckung südlich der Alpen auf (FLIRI 1983). Messungen haben ergeben, dass der Äquivalentzuschlag durch die Freisetzung latenter Wärme nur 1-2K Nettozugewinn bei der Erwärmung auf der Leeseite ausmacht (SEIBERT 1990). Zwar ist Innsbruck freilich durch gap flow ein Spezialfall, doch treten auch in anderen Regionen der Alpen und in den deutschen Mittelgebirge Föhnlagen ohne luvseitige Wolken/Niederschlagsbildung auf.

Hann J. erkannte bereits 1866 (Zur Frage über den Ursprung des Föhn. – Zeit. Öster. Ges. Met. 1 (1), 257-263, Wien), dass die aus der thermodynamischen Föhntheorie resultierenden Widersprüche für niederschlagsfreie Föhnfälle eine neue Überlegung erfordern:

4.2 Hydraulische Föhntheorie – „Austrian Foehn“

Das Attribut hydraulisch rührt daher, dass man den Föhn als eine Ein-Schicht-Strömung, auch Flachwasserströmung betrachtet. Hierbei verwendet man die Froude-Zahl, um die Föhnströmung zu beschreiben. Ich werde das aber nicht näher ausführen, um die Einführung in die Föhngrundlagen nicht zu verkomplizieren.

Bei der modernen Föhntheorie – sie findet man in keinen mir bekannten deutschsprachigen Lehrbüchern – gilt das unter b) skizzierte Schema. Die luvseitige Luftmasse überquert das Gebirge nicht, sondern wird blockiert und bleibt als Totluft im Luv liegen. Diese Anschauung gilt unabhängig davon, ob Niederschlagsbildung eintritt oder nicht, und stellt damit eine fundamentale Änderung der bisherigen Föhntheorie dar. Stattdessen sinkt die Luft in höheren Schichten oberhalb des Kammniveaus wasserfallartig ins Lee des Gebirgskammes ab – wie beim Überschwappen eines Stausees, wo nur die oberste Schicht abfließt.

Ein Beweis für diese These wird in den Untersuchungen während der Feldmesskampagne MAP (Mesoscale Alpine Program) geliefert, die 1999 im Wipptal stattfand. Als Beispiel siehe etwa in der promet-Ausgabe, Jahrgang 32, Nr. 1/2, 2006 auf Seite 13 die Abbildung 2-2. In der Abbildung ist ein Querschnitt entlang des Wipptals geplottet, ganz rechts ist die Nordkette, welche das Inntal nach Norden schützt. Die dünn ausgezogenen Linien sind Isentropen (Linien gleicher potentieller Temperatur). Es wird angenommen, dass sich bei gut durchmischter Luft, wie innerhalb einer Föhnschicht, die potentielle Temperatur nicht ändert, weshalb man Isentropen als Tracer für Föhnluft verwenden kann.

Nach der alten Föhntheorie würde die Luft von Bozen und Sterzing über das obere Wipptal zum Brennerpass aufsteigen und dann absteigen. Tatsächlich aber kommen die Isentropen im Lee des Brennerpasses aus Höhen zwischen 2000 m und 3000 m, also gar nicht vom Talboden des oberen Wipptals.

4.2.1 Woher kommen die starken Winde im Lee?

Die thermodynamische Theorie kann die hohen Windgeschwindigkeiten im Lee des Gebirges nicht erklären. Nach dem hydraulischen Konzept bzw. der Leewellentheorie kommen mehrere Gründe in Frage, die zu einer Drängung der Stromlinien stromabwärts der Gebirgsbarriere führen.

1. Topographische Ursachen

  • 2-dim Venturi-Effekt: Die Strömung wird durch eine Verengung des Gebirgseinschnitts bzw. des Tals verursacht. Die Strömung muss bei gleichem Volumen zunehmen.
  • 3-dim-Bernoulli-Effekt: Die Strömung wird durch eine plötzliche Verbreiterung des Tals verursacht, z.B. bei der Talmündung in ein größeres Tal bzw. am Rand des Gebirges. Dabei nimmt die Strömungsdicke ab und potentielle Energie wird in kinetische Energie umgewandelt.

2. Dynamische Ursachen

  • Die Föhninversion senkt sich nach dem Überströmen des Gebirgskamms ab, dadurch verringert sich die Schichtdicke der Föhnschicht (die horizontal durch die Seitenhänge des Tals konstant begrenzt bleibt). Infolge der Schichtdickenverringerung muss nach dem Venturi-Effekt die Strömungsgeschwindigkeit zunehmen. Dies gilt aber nur bei seichtem Föhn, die eine Föhninversion voraussetzt, welche die Föhnströmung von der synoptischen Strömung entkoppelt.
  • Die Phase der durch die Bergüberströmung induzierten Leewellen ist in der Vertikalen stromaufwärts verschoben, sodass leeseitig eine Drängung der Stromlinien entsteht und die Windgeschwindigkeit dadurch ansteigen lässt. Das setzt jedoch abermals eine Föhninversion voraus, da sonst keine Leewellen entstehen können (vgl. Dimmerföhn).

4.2.2 Bestimmung der Herkunft der Föhnluft:

In vielen Fällen kann man subjektive Kriterien verwenden, die auf einen Temperaturanstieg (durch trockenadiabatische Erwärmung), entsprechend Feuchterückgang und einer Windzunahme, oftmals einhergehend mit einer Windrichtungsänderung, beruhen. Nicht bei jedem Föhnfall ist die Windzunahme markant, und auch der Temperaturanstieg muss nicht zwingend abrupt erfolgen, sondern kann über Stunden kontinuierlich erfolgen.

Aufgrunddessen bietet sich als Alternative die objektive Klassifikation (vgl. FÖST 2006) durch die potentielle Temperatur an, die in Abwesenheit von Kondensation konstant bleibt und direkte Auskunft darüber gibt, ob eine von einer Bergstation herabströmenden Luftmasse die Talstation erreicht (wenn beide Stationen dieselbe potentielle Temperatur aufweisen).

Nachteil dabei ist, dass bei Niederschlägen die potentielle Temperatur nicht mehr konstant bleibt, z.B. bei Dimmerföhn. Ferner kann durch langwellige Ausstrahlung über Nacht produzierte Kaltluft, die über Seitentäler in das Föhntal eingeführt wird, die potentielle Temperatur erniedrigen. Reibung in der bodennahen Grenzschicht, hydraulische Sprünge, tageszeitliche Einstrahlung und Erwärmung sowie Scherungsinstabilitäten im Bereich der Föhninversionen können zu verstärkter Durchmischung führen, sodass die ursprüngliche Isentrope der absteigenden Föhnluft nicht mehr eindeutig bestimmt werden.

Weiters hat man festgestellt, dass die Stromlinien nicht gleichmäßig im Lee des Gebirges absinken, sondern eine starke Turbulenz (zick-zack-Verlauf der Isentropen) aufweisen. Dies führt zu einer dritten Überlegung, welche zu meiner Studienzeit (2004-2010) am Institut für Meteorologie und Geophysik Innsbruck (IMGI) entwickelt wurde.

4.3 Hydraulische Föhntheorie „zweiter Art“

Im „Handbook for Snow“ von Gray, Male (1981) entdeckte ich auf Seite 206 eine Abbildung, die das Überströmen eines offenen Zylinders mit Luft zeigt: Auf der angeströmten Seite sind die Stromlinien kompakt beieinander, auf der Kuppe werden sie etwas nach oben angelenkt und auf der stromabgewandten Seite gehen die Stromlinien chaotisch in mehrere Wirbel auseinander. Eine Zuordnung zu jeder Stromlinie ist unmöglich. Als Analogie zu dieser Abbildung habe ich folgende Skizze erstellt, die das turbulente Absinken im Lee des Gebirges verdeutlichen soll.

Handzeichnung zur modernen Föhntheorie:

Abb.5: Handzeichnung zur Föhntheorie © Felix Welzenbach 2018

Dargestellt ist ein Süd-Nord-Querschnitt durch die Alpen, mit der Luvseite links und das Lee im Inntal rechts. Daran anschließend die Nordkette. Blau eingezeichnet sind Kaltluftseen bzw. -ströme (Inntal). Die Isentropen sind rot, mit der niedrigsten potentiellen Temperatur Θ1 bis zur höchsten potentiellen Temperatur Θ5.

Im Luv herrscht eine stabile Schichtung mit einem Kaltluftsee, der nicht über das Gebirge strömt. Im Lee spaltet sich die Strömung auf. Der untere Bereich sinkt direkt ins Tal ab, ein mittlerer Teil prallt auf die Nordkette und gelangt als Rotor ins Tal. Darüber (Θ3) vollzieht sich ein hydraulischer Sprung und im oberen Bereich gehen die Isentropen ohne stärkeres Absinken über das Tal hinweg.

Das bodennahe Kaltluftpolster im Tal muss erst durch Druckfall weiter talauswärts „abgesaugt“ werden, ehe die potentiell wärmere Föhnluft bis zum Talboden vordringen kann.

Mit einer südlichen Anströmung der Gebirgskette staut sich die Kaltluft auf der Luvseite, überströmt aber wegen ihrer geringen vertikalen Mächtigkeit das Gebirge nicht. Sie bleibt als Totluft auf der Luvseite liegen. Die Luftmasse oberhalb der Kaltluft ist potentiell wärmer und durch die Drängung auf der Luvseite sehr stabil geschichtet. Diese Föhnschicht zeichnet sich an entsprechenden Stationen durch verhältnismäßig hohe Mittelwinde, aber nur geringer Böigkeit aus. Nimmt die Böigkeit zu, so bedeutet das eine Destabilisierung der Föhnschicht. Die Obergrenze der Föhnschichtinversion steigt und damit verlagert sich auch die stabile Schicht in höhere Lagen.

Wenn die stabile Föhnschicht den Gebirgskamm überströmt, dann geht ein Teil der Strömung über die angegrenzende Gebirgskette hinweg, sofern die Föhnschicht mächtig genug ist. Besonders zu Beginn und Ende des Föhns, wenn die Strömung relativ schwach ist, können einzelne Stromlinien auf die Gebirgskette prallen und Rotoreffekte ausbilden. Rotoren sind meist sehr kleinräumige und extrem kurzlebige Strömungsphänomene, die durch Ablösung der Strömung an der Grenzschicht (Reibungseffekte), bei hydraulischen Sprüngen oder bei Schwerewellenbildung entstehen. Föhn beinhaltet Rotoreffekte, daher kann man strenggenommen nicht von einem gesonderten „Rotorföhn“ sprechen. Wohl aber beobachtet man in Innsbruck neben der typischen Föhnrichtung 140° am Flughafen vor allem am Ende einer Föhnperiode Winde aus nordöstlichen Richtungen, die einem „Hauptrotor“ entsprechen könnten.

Die Essenz der neuen Föhntheorie ist die Vergrößerung des Isentropenabstands im Lee durch das turbulente Absteigen, die – wie oben erwähnt – zur Verringerung der statischen Stabilität führt. Es bilden sich Scherungsinstabilitäten entlang der Föhninversion. Folglich ist der vertikale Luftmassenaustausch erleichtert. Föhnluft kann aus höheren bis in tiefere Schichten gelangen. Durch die turbulente Durchmischung transportiert der vertikale Impulsfluss die höheren Strömungsgeschwindigkeiten der stabilen Schicht nach unten. Der laminare Abfall der Isentropen tritt also nur unmittelbar im Lee auf, nicht aber weiter stromabwärts.

Das Hydraulikkonzept hat aber auch seine Grenzen, wenn nämlich keine Föhninversion gegeben ist, wie bei hochreichendem Föhn. Somit existiert keine Entkopplung von der synoptischen Strömung und das Ein-Schichten-Modell ist nicht anwendbar (Mayr, Gohm, 2006 – promet 32)

5. Föhn und Bora

Heinrich von Ficker beschreibt in seinem populärwissenschaftlichem Lehrbuch von 1942, Wetter und Wetterentwicklung, die Entwicklung der Bora als immer mächtiger werdende Kaltluftmasse, die irgendwann über das Gebirge fließt und dann – weil es wärmere Luft unter sich hat – nur herabströmen kann. Da sich die Kaltluft aber beim Abstieg trockenadiabatisch erwärmt, ist sie nur unmittelbar im Lee des Kamms als Bora wirksam, im Tal hingegen als Föhn.

 

Abb.6: Schematische Darstellung von Föhn (links) und Bora (rechts)

Schematische Skizzierung von Föhn und Bora

Von Ficker erkannte bereits früh den Mechanismus der Bora und den Umstand, dass Föhn nichts anderes als maskierte Bora ist. Der Hauptunterschied liegt darin begründet, dass bei Bora die herangeführte Kaltluft so kalt ist, dass auch nach der adiabatischen Erwärmung ein Temperaturrückgang auftritt.

In beiden Fällen fließt aber nur die oberste Schicht über das Gebirge. Im Falle der Bora wird die kälteste Luftmasse luvseitig ebenfalls blockiert werden und nur die kühlere „Deckschicht“ mit einer verhältnismäßig geringeren Dichte schwappt über den Kamm. Diese Anschauung ist identisch zum Föhn, wo ebenfalls nur eine flache wärmere Schicht leeseitig absteigt.

MAYR UND ARMI (2008) stellen in ihrem Paper „Föhn as a response to changing upstream and downstream air masses“ die These auf, dass die für Föhn notwendigen Druckunterschiede durch potentiell kältere Luft im Luv verursacht werden. Abb. 7 im Artikel verdeutlicht dies durch Vertikalprofile der potentiellen Temperatur in Mailand und Innsbruck während einem Föhnfall in der Messkampagne MAP.

6. Warum steigt die Föhnluft ins Tal ab?

Im Tal lagert vor dem Föhndurchbruch Kaltluft, die Föhnluft hingegen ist wärmer. Gewöhnlich würde man erwarten, dass die Kaltluft von der herabsinkenden Warmluft unbeeindruckt bleibt und sich die stabile Schichtung aufrechterhält. Tatsächlich aber kann der Föhn offensichtlich bis zum Talboden durchgreifen und die Kaltluft verdrängen. Warum ist das so? Diese Frage ist noch nicht restlos geklärt. Es finden sich aber einige Erklärungsansätze dazu:

    • Vertikale Aspirationstheorie nach STREIFF-BECKER (1931), demnach kann eine potentiell wärmere Luftströmung, die längere Zeit über einen Kaltluftsee streicht, diesen durch turbulente Erosion auflösen und sich die wärmere Höhenluft peu à peu nach unten vorarbeiten. Erste Ideenansätze gab es bereits bei Wild um 1870. Nach neueren Erkenntnissen ist die turbulente Erosion aber nur bei Kaltluftseen geringer Mächtigkeit effektiv (vgl. Mischungsweglängenkonzept).
    • Horizontale Aspirationstheorie nach VON FICKER (1931), hier wird die Kaltluft durch talauswärtigen Druckfall abgesaugt und sukzessive durch die potentiell wärmere Höhenluft ersetzt („passive Ersatzströmung“). Dieses Modell findet u.a. auch bei Hang- und Talwindzirkulation eine Anwendung (ausfließende Kaltluft wird durch potentiell wärmere und trockenere Luft ersetzt, weshalb sich kein Nebel bildet).
    • Leewellentheorie nach LYRA (1940) und QUENEY (1948). Das leeseitige Absinken ist eine „Reaktion einer erzwungenen Auslenkung der Luft aus dem Gleichgewichtszustand durch ein Hindernis. Sie ist nur bei Gebirgszügen mit passender Ausdehnung gültig, z.B. im Brandnertal“ (zitiert nach promet, 32, Nr.1/2, Steinacker)
    • Wasserfalltheorie nach ROSSMANN (1950). Die Luft in der Föhnmauer ist kälter und damit schwerer als die leeseitige Luft. Föhn wäre demnach ein katabatischer Fallwind. Möglicherweise anwendbar bei leeseitig-übergreifenden Niederschlag (Dimmerföhn).
    • Solenoidtheorie nach FREY (1944). Es baut sich im Gebirge ein isobarisentropes Solenoidfeld auf, das nach dem Zirkulationsgesetz eine beschleunigte Strömung hervorruft.
    • Hydraulische Theorie nach SCHWEIZER (1953), analog zur Flachwasserströmung wird die Föhnströmung als überkritische Strömung mit hydraulischem Sprung interpretiert.

Die horizontale Aspirationstheorie ist derzeit wohl am Gängigsten und kann anhand des vorhandenen Messnetzes auch leicht überprüft werden. So bildet sich bei Annäherung eines Troges von Westen häufig ein talauswärtiges Druckgefälle im Inntal zum Alpenvorland aus und transportiert die inneralpin produzierte Kaltluft hinaus.

Das Lokalphänomen des„vorföhnigen Westwinds“ in Innsbruck (im Rhein- und Brandnertal: vorföhniger Nordwind) basiert auf ähnlichem Prinzip, setzt aber starken Druckfall im Lee des Patscherkofels voraus, welcher eine relativ kurze (maximal 10km nach Westen reichend), aber intensive Ausgleichströmung induziert. Dieses hat mehrere Funktionen. Zum Einen sorgt sie für stetigen Kaltluftnachschub aus dem Oberinntal, zum Anderen verhindert sie durch die tubulenten Umwälzungen die Ausbildung eines „Kaltluftsees“ am Talboden. Vertikale Windscherung vorausgesetzt vermag der vorföhnige Westwind den Kaltluftstrom im Inntal vollständig zu erodieren und damit den Föhndurchbruch zu ermöglichen.

7. Föhnbeginn und -ende

Der Föhndurchbruch hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab, Dynamik und Stabilität. Das Abfließen der Kaltluft aus den Tälern erfolgt meist über synoptischen Druckfall, also durch eine Bodentiefentwicklung oder Warmluftadvektion im Lee des Gebirges. Insbesondere in der Nacht wirkt aber die langwellige Ausstrahlung dem Kaltluftabfluss entgegen und fördert die Aufrechterhaltung eines Kaltluftsees. Diesen See sollte man nicht allzu statisch betrachten. Er ist in Tälern viel mehr ein Kaltluftstromund lediglich in Mulden- und Beckenlagen kann sich Windstille entwickeln.

Zum gegenwärtigen Stand der Forschung haben die meisten Wettermodelle Kaltluftseen noch relativ schlecht im Griff, was neben der schlechten räumlichen Auflösung, also der Modelltopographie, auch mit dem dünnen Messnetz im Gebirge zusammenhängt. Erst, wenn der Kaltluftsee durch Messdaten gut erfasst wird und entsprechend realitätsnahe Anfangsbedingungen in das Modell miteinfließen, kann seine Auflösung vom Modell gut simuliert werden.

Ein weiterer Faktor ist die Sonneneinstrahlung, weswegen in den meisten Föhnregionen der Föhn in den Mittags- bzw. Nachmittagsstunden durchbricht. Der Zeitraum vor dem Föhndurchbruch und in Föhnpausen, wenn der Föhn im Tal durch verstärkte Kaltluftproduktion „abgehoben“ hat, wird auch als föhnig bezeichnet. Daneben gibt es auch die Erosion des Kaltluftstroms durch Turbulenz. Diese ist aber nur dann effektiv, wenn die Turbulenzkörper so groß bzw. größer als die vertikale Mächtigkeit der Kaltluft sind. Geringe Turbulenz kann die Kaltluftschicht nicht effektiv auflösen. Theoretisch müsste sich durch Föhn, der ja wärmer als die bodennahe Kaltluft ist, sogar die Temperaturinversion verstärken.

Was den Vorhersagern im Dienst heute noch am Meisten Kopfzerbrechen bereitet, ist der Zeitpunkt des Föhnzusammenbruchs. Dieser geschieht dann, wenn synoptisch Kaltluft in das Tal advehiert wird und den Föhn abheben lässt. Bei mehrtätigen Föhnperioden kann dies auch die nächtliche Auskühlung geschehen. Sonst beendet in der Regel eine Kaltfront den Föhn. Meist unterschätzen die Modelle den über das Gebirge gerichteten Druckgradient und lassen den Föhn früher zusammenbrechen als es tatsächlich der Fall ist.

8. Föhn im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Föhn stammen aus Innsbruck, das auch bisweilen als die Föhnhauptstadt der Alpen bezeichnet wird. Hierbei muss aber eingeschränkt werden, dass der Innsbrucker Föhn ein Speziallfall ist, nämlich ein sogenannter gap flow, d.h. eine Strömung durch einen Gebirgseinschnitt bzw. einen Pass. Es handelt sich dann vielmehr um ein Durchströmen als um eine Überströmung.

Dem gegenüberstellt sind zahlreichere, weitere Föhnregionen an der Alpennordseite, z.B. das Unterwallis, Berner Oberland, Reußtal, Rheintal, Brandnertal, Oberinntal (via Reschenpass), Zillertal, Salzkammergut und Mariazeller Land. Nordföhn tritt nicht nur auf der Alpensüdseite, wie etwa von Südtirol bis zum Burgenland auf, sondern auch in den nördlichen Zentralalpen, z.B. im Oberinntal, Innsbruck. Daneben gibt es auch den Westföhn, der sich im Tiroler Oberland bemerkbar macht, aber auch im Wiener Becken für außergewöhnlich hohe Temperaturen sorgt.

Je weiter man sich vom Alpenrand entfernt, umso geringer wird der Einfluss des Föhns. Zwar ist der Himmel föhnig aufgeheitert, aber die klassischen Föhnelemente (Windzunahme, Temperaturanstieg, Feuchterückgang) fehlen oder sind nur schwach ausgeprägt.

Das schließt aber nicht aus, dass es Föhn auch außerhalb der Alpen gibt. Bekannt sind der Sauerlandföhn, Odenwaldföhn, Harzföhn, Erzgebirgsföhn, Schwarzwaldföhn, Albföhn, usw.

9. Meteorologische Auswirkungen

Im Lee führt Föhn oft zur Wolkenauflösung, ausgenommen bei Dimmerföhn, und zur Bildung von Ac len („Föhnfische“). Eine Ausnahme sind Leewolken, die durch Leewellen entstehen und wie angeheftet im Satellitenbild erscheinen, siehe u.a. hier.

Ein genügend langes und hochreichendes Gebirge vorausgesetzt kann bei starker Überströmung ein Leetief entstehen. Ein Frontensystem resultiert aber nur dann, wenn das Leetief in der Höhe durch einen Trog gestützt wird. Im Alpenvorland führt die Leezyklogenese im Sommer zu rückdrehenden Bodenwinden, auch bayrischer Ostwind genannt, der bei synoptischer Westströmung starke vertikale Richtungsscherung erzeugen kann und Schwergewitter begünstigt.

Föhn erhöht die potentielle Verdunstung, in Innsbruck geht ein Drittel der jährlichen potentiellen Verdunstung auf Föhn zurück, und fördert den Luftmassenaustausch im Winter, wo sonst Inversionslagen dominieren. Schnee wird dann in der Regel nicht geschmolzen, weil die Taupunkte negativ sind, aber infolge der trockenen Luft plus starken Wind sublimiert (verdunstet). Daher trägt der Föhn in den Alpen auch den Namen Schneefresser.

Kaltfrontpassagen setzen oft verzögert ein (siehe oben). Manchmal wird das hereinziehende Niederschlagsgebiet auch vollständig aufgelöst. Starke Verdunstungskälte durch Föhnluft kann im Sommer schwere Fallwindböen bei Schauern und Gewittern auslösen. Dies insbesondere bei seichtem Föhn der Fall, da hochreichende Föhn die Gewitterbildung generell unterdrückt.

Während sich Föhn in den Wintermonaten durch eine spürbare Milderung bemerkbar macht – dies gilt auch für Nordföhn – da der bodennahe Kaltluftsee durch die Föhnluft ersetzt wird, ist in den Sommermonaten auch das Gegenteil beobachtbar. Infolge der kräftigen Einstrahlung überhitzt sich die Bodenschicht („überadiabatische Schichtung“) und bei Föhndurchbruch wird es kühler, da die absinkende Isentrope kühler als die potentielle Temperatur am Boden ist.

In Radiosondenaufstiegen äußerst sich Föhn im Idealfall durch eine gut durchmischte Luftschicht, in welcher die potentielle Temperatur und das Mischungsverhältnis konstant sind:

Abb.7: Radiosondenaufstieg von Innsbruck am 24.11.2008, 04 MEZ

Im gezeigten Beispiel zog ein sich auffüllendes Tief von der Nordsee kommend weiter zu den Alpen. In der unteren Troposphäre drehte der Wind vorübergehend auf südliche Richtung zurück und nahm deutlich zu, während sich in der mittleren und oberen Troposphäre eine Westströmung aufrechterhielt. Am Patscherkofel wurden Orkanböen bis 133 km/h gemessen, aber auch im Wipptal erreichte der Südföhn Sturmstärke (90 km/h in Ellbögen). Dies alles bei leichtem Frost um -2 bis -3°C, also ein verhältnismäßig kalter, fast boraartiger Föhn (zuletzt gab es sowas am 26.1.2004).

In Innsbruck sorgte die beständige Kaltluftproduktion im Oberinntal, wo es zudem noch schneite (Schnee besitzt eine Verdunstungswärme von 333 MJ, während Regen nur 2,6 MJ aufweist), für einen mäßig starken vorföhnigen Westwind mit einzelnen Böen bis 50 km/h. Auch weiter stromabwärts wehte böiger Westwind. Der Föhndurchbruch beschränkte sich aber auf die südlich des Inntals vorgelagerten Mittelgebirge.

Im Sondenaufstieg weht bodennah schwacher Westwind, darüber herrscht eine schwache Südströmung, die oberhalb rund 2000m in Südwest bis West übergeht. Die Temperatur zeigt eine kleine Bodeninversion, ehe oberhalb 1000m eine markante, gut durchmischte Föhnschicht vorhanden ist, die bis 2000m reicht. Hier folgt der Taupunkt exakt den Linien gleichen Mischungsverhältnisses und die Temperatur den Trockenisentropen. Am Oberrand der Föhnschicht ist die Inversion relativ markant und geht in eine halbtrocken-halb feuchte Schichtung über – den Resten der Warmluft von der Okklusionsfront.

10. Einfluss auf den menschlichen Organismus

Hinsichtlich der Wetterfühligkeit bei Föhn kann ich aus der eigenen Erfahrung sprechen. Es ist ein Vor- und Nachteil, selbst sensibel bei Föhnlagen zu reagieren. Am Eindrücklichsten merkte ich das am 14.11.2009, als sich bei mir unmittelbar vor dem Durchgreifen des Föhns am Boden ein Migräneanfall einstellte. Als ich wenig später aus dem Haus ging, waren die Kopfschmerzen wortwörtlich wie weggeblasen: der Föhn wehte.

RUDDER (1948) stellt fest, dass die „Föhnwetterfühligkeit“ in Innsbruck am Ausgeprägtesten ist und sowohl mit der Höhe als auch zu den Orten talauf- bzw. talabwärts abnimmt. Generell scheinen die Leute weniger anfällig, wenn der Föhn bereits durchgegriffen hat, und am Anfälligsten, wenn der Föhn kurz vorm Durchbruch steht, also am Boden noch eine dünne Kaltluftschicht vorhanden ist. Rudder argumentiert, dass bei bodennaher Kaltluftströmung und darüber gleitender Südföhnströmung ein starker Windsprung an der Diskontinuität zwischen dichtem und leichten Medium darüber entsteht, was die Bildung von Kelvin-Helmholtz-Wellen anregt. Je stärker die vertikale Windscherung, desto intensiver die Schwerewellenbildung. Diese führen zu einem Auf- und Abschwappen der Warm- bzw. Kaltluft und folglich zu periodischen Druckschwankungen. Wetterfühlige Menschen spüren diese Druckschwankungen.

RICHNER (1982,1983) hat statistische Untersuchungen mit wetterfühligen Personen durchgeführt, die Rudders These bestätigen. Frauen sind übrigens dafür anfälliger als Männer. Warum aber nimmt beispielsweise in Zirl oder in Hall die Wetterfühligkeit ab, obwohl es auch dort zu Föhn (später) kommt? Rudder begründet dies damit, dass es nach Westen bzw. Osten hin kein Quertal gibt, wo eine starke Südföhnströmung über den Kaltluftstrom streichen könnte. Die Höhenströmung ist dort also viel schwächer und entsprechend auch die Druckschwankungen geringer ausgeprägt.

Ein anschauliches Beispiel ist der seichte Föhnfall vom 17.11.2009:

Abb.8: Webcambild vom 17.11.2009, Blick von der Nordkette auf Innsbruck

Die Untergrenze des Hochnebels im oberen Wipptal (Wolkengrenze deutlich unterhalb der 2700 m hohen Amthorspitze) verdeutlicht, dass es sich um eine seichte Föhnströmung gehandelt hat.  Laut Sondenaufstieg von 04 MESZ erstreckte sich die Föhnschicht von ca. 800 m bis 1800 m. Die mutmaßlichen Kelvin-Helmholtz-Wellen traten zwischen 6.40 und 7.10 MEZ auf, just in dieser Zeit wehte am Boden ein vorübergehend schwacher Talauswind (Entkopplung durch Auskühlung!) mit 2-3 m/s, während der Föhn mit 7-8 m/s im Mittel darüber wehte.

Beide Voraussetzungen für Kelvin-Helmholtz-Wellen waren demnach gegeben:

  • a) Eine Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe
  • b) Wärmere Föhnluft über ausstrahlungsbedingt kalter Luft am Boden.

Im besagten Webcambild sieht man wogenförmige Ausprägungen an der Obergrenze des Bodennebels. Die Achse dieser Wogen zeigt leicht nach Südwesten, d.h. in Verlängerung des Wipptalausgangs, und biegt dann entlang der Talachse nach Osten ab, was ein Hinweis auf die umgelenkte Föhnströmung sein könnte.

11. Literatur

  • Atmosphäre und Gebirge – Anregung von ausgeprägten Empfindlichkeiten, Promet – Jahrgang 32 Heft 1/2, meteorologische Fortbildung, DWD, 2006
  • Ficker, H.v., Wetter und Wetterentwicklung, 1942
  • Gohm, Mayr, Hydraulic Aspects of foehn winds in an Alpine Valley, Quart. J.R. Meteorol. Soc., 130, 449-480, 2004
  • Hann J, Zur Frage über den Ursprung des Föhn. – Zeit. Öster. Ges. Met. 1 (1), 257-263, Wien, 1866
  • Kuhn Michal, Föhnstudien, 1989
  • Seibert P., South foehn studies since the ALPEX experiment. Meteorol. Atmos. Physics 43, 91–103, 1990
  • WMO, International meteorological vocabulary, WMO-Pub.182, Genf, 784 S., 1992