Erst während des Studiums wuchs mein Interesse an tropischen Zyklonen, was ich vor allem zwei Menschen zu verdanken habe: Helge Tuschy, Tropensturm-Experte und ehemaliger Kommilitone, sowie Harry Weber, Tropensturm-Experte und ehemaliger Professor der Theoretischen Meteorologie in Innsbruck. Helge vermittelte mir das Interesse an der Praxis, anhand aktueller Fälle, während Harry die Theorie lehrte und darüberhinaus die an sich sehr diffizile Theoretische Meteorologie sehr anschaulich, fair und mit bayerischem Akzent kurzweilig vermittelte.
Entsprechend stammen einige der folgenden Infos aus Harrys Vorlesung (im Sommersemester 2008), wenngleich ich den mathematisch-physikalischen Anteil auf ein Minimum reduziert habe. Weiters möchte ich auch auf Tropen- bzw. Subtropenstürme im Mittelmeergebiet, sogenannte Medicanes, eingehen, die zumindest medial in den vergangenen Jahren immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerieten.
Definitionen
Ein Tropischer Sturm (im Folgenden abgekürzt als TS) ist ein rotierendes, synoptisch-skaliges Wettersystem, das einen Mittelwind (Atlantik: 1 min, sonst: 10 min) von mindestens 17 m/s sowie einen hochreichend warmen Kern aufweist. Insbesondere letztere Bedingung unterscheidet Tropische Zyklone von außertropischen Sturmtiefs (im Folgenden abgekürzt als EC).
Im Atlantik gilt:
- Tropical Depression (TD): < 17 m/s
- Tropical Storm (TS): < 33 m/s
- Tropical Cyclone (TC): > 34 m/s
Eine Subtropische Zyklone (SC) weist sowohl tropische als auch außertropische Eigenschaften auf – ihr Antrieb kommt aus einer schwachen Frontalzone bzw. einem überlagerten Höhentiefkern sowie aus der Freisetzung latenter Wärme durch erhöhte Wasseroberflächentemperaturen (SST). Das Windfeld um den Tiefkern ist größer als bei TC’s und überschreitet so gut wie nie 32 m/s im Mittel (Quelle: AMS Glossary). Typischerweise zeigt die SC mehrfach spiralisierte Wolkenbänder um das Tiefdruckzentrum ohne Ausbildung eines für Hurrikane charakteristischen „Auges.“
Ein Neutercane (NC) ist der Spezialfall einer SC mit einem Durchmesser < 160 km.
Ein Medicane ist ein Tropischer Sturm, selten Tropischer Zyklon, im Mittelmeergebiet.
Ein polar low ist ein tropensturmähnliches Tiefdruckgebiet, das meist in polaren Breiten, bei extremen Kaltluftvorstößen auch in mittleren Breiten über dem Meer auftritt (z.B. im Februar 2012 über der Ostsee).
Übersicht zur Benennung in den Regionen
Region | Bezeichnung |
Atlantik und Ostpazifik | Hurrikan |
Nordwestpazifik | Taifun |
Indischer Ozean und Australien | Zyklon |
Mittelmeergebiet | Medicane |
Polare Breiten | polar low |
1.2 Entstehungsbedingungen
Tropische Stürme benötigen für ihre Entstehung …
- ein genügend großes Reservoir an warmen Wassers (Mittelmeer: ja, Ostsee: nein)
- eine genügend große vertikale Differenz zwischen Höhe und Meeresoberfläche (-> niedrige statische Stabilität und große Mengen an latenter Wärme), wobei die Absoluttemperatur des Wassers nur Auswirkung auf die Intensität der Wirbelstürme hat.
- barotrope Umgebung (homogene Verteilung der Äquivalentpotentiellen Temperatur, keine Gradienten)
- geringe vertikale Windscherung (sonst Entkopplung von Boden- und Höhenwirbel)
- Coriolisparameter f > 0 ; notwendig, um konvektive Systeme in Drehung zu versetzen, die Intensität der Drehung ist jedoch abhängig von der Freisetzung latenter Wärme, was starke Hurrikane in höheren Breiten limitiert.
1.3 Verbreitung von Tropenstürmen
Pro Jahr entstehen weltweit etwa 100 Stürme, die meisten pro Fläche davon im Ostpazifik (siehe Karte). Durchschnittlich beträgt der Druckgradient zwischen Tiefzentrum und Umgebung etwa 50 hPa auf 20 km. Hurrikan ANDREW (1992) war so stark, dass er den Radardom des ehemaligen Hurrikancenters in Miami herunterblies.
Am gefährlichsten sind jedoch die „Midget“-Taifune im Golf von Bengalen. Zwar sind diese relativ selten, jedoch sehr kleinräumig (200 km Durchmesser) und können bis zu Kategorie 4 erreichen. Sie entstehen in kurzer Zeit oft nahe am Land (Indien, Bangladesh), können sich rapide verstärken und besitzen oft kein Auge mehr, da dieses durch den Cirrenschirm verdeckt wird. Da 60 % der Landfläche Bangladeshs unterhalb des Meeresspiegels liegt, sind die Auswirkungen bei Landfall dramatisch: 1970 gab es 200 000 Tote.
Aufgrund des kalten Humboldtstroms an der Westküste Südamerikas sowie des kalten Bengalenstroms an der Westküste Afrikas treten dort keine Tropischen Stürme auf.
1.4 Daten und Fakten
- 60-70 % des Jahresniederschlags in Mexico stammt von Hurrikanen
- 40 % der Todesopfer sind durch die Flutwelle „von hinten“ zu befürchten, wenn die großen Regenmengen ins Landesinnere vordringen und Flüsse anschwellen lassen
- bis zur Erfassung durch Satelliten seit dem Jahr 1964 wurde die Gesamtzahl der TC’s unterschätzt, da nur bei Landfall entdeckt: Trend inhomogen, mit geringer klimatologischer Aussagekraft
- 10 000 Tote pro Jahr, die meisten in Bangladesh, Vietnam, Indien, Philippinen, Australien. Vietnam leidet unter der Datenblockade durch China
Rekorde:
1974: Zyklon TRACY entwickelt sich nördlich von Australien in seichtem, warmen Gewässer. Dort entstehen tageszeitbedingt täglich MCS’e, die von einem TC kaum unterscheidbar sind. Der TC radierte die Stadt Darwin aus.
1979: Im Oktober wird bei Taifun TIP im Nordwestpazifik bei Guam mit 879 hPa der tiefste jemals gemessene Druck registriert, der Umgebungsdruck lag bei 1000 hPa!
1988: Im September erreicht Hurrikan GILBERT bei einem Kerndruck von 915 hPa einen Mittelwind über 90 m/s (324 km/h)
1992: Im August entwickelt sich Hurrikan ANDREW mit über 240 km/h Mittelwind und einem Kerndruckfall von 72 hPa in 24 Stunden. Das „warum“ ist bis heute unklar.
2008: Im Mai sorgt Zyklon NARGIS in Burma für über 150 000 Tote. Mitschuld an der hohen Opferzahl trug u.a. die Militärdiktatur im Land, die lebenswichtige Hilfslieferungen erst stark verzögert zuließ.
2. Entstehung von Tropischen Zyklonen
Die mächtigste Feuchtkonvektion entsteht in Zentrumsnähe um das Auge herum und bildet die Innere Augenwand (Inner Eyewall), während die äußere Augenwand (Outer Eyewall) mit schwächerer Konvektion verbunden ist. Allerdings schneidet die Outer Eyewall mit der Zeit das Einströmen feuchtlabiler Luft in die Inner Eyewall ab. Diese stürzt nachfolgend in sich zusammen und die Outer Eyewall wandert nach innen: Eyewall Replacement Cyclus.
Der ausgedehnte Cirrusschirm ist im Anfangsstadium einer TC noch kompakt, auch Central Dense Overcast (CDO) genannt und resultiert aus der massiven Freisetzung latenter Wärme in riesige Gewitterwolken. Sobald der Sturm Hurrikanstatus erreicht, bildet sich aus dem CDO ein Auge heraus – im ungünstigen Fall bleibt es jedoch durch Cirrus verdeckt (wie bei den midget-Taifunen). Kreisrunde CDOs deuten auf günstige, (in der Höhe) scherungsarme Umgebungen hin.
Gerade in der konvektiven Grenzschicht ist die vertikale Windscherung in Hurrikannähe jedoch sehr groß und in den äußeren, konvektiv durchsetzten Regenbändern steigt das Potential für Tornados entsprechend an, insbesondere wenn bei Landfall und resultierender Bodenreibung Ekman-Windprofile vorherrschen (Entwicklung notwendiger Richtungsscherung für Superzellentornados).
In Zentrumsnähe befindet sich die Primärzirkulation, die durch Freisetzung latenter Wärme entsteht. In der Höhe stoßen die Aufwinde an die Tropopause – ein Teil sinkt in Zentrumsnähe ab und erzeugt das nahezu wolkenfreie Auge (bis auf flache Stratocumulusbewölkung in Bodennähe) – der andere Teil wird in die Sekundärzirkulation eingebunden und füttert die Gewitterwolken mit feuchtlabiler Umgebungsluft, wobei der Inflow bis ca. 4 km Höhe reicht, darüber erst beginnt der Outflow.
Die Ekmanschicht sinkt durch den starken Druckfall in TC’s erheblich ab und ist im Durchschnitt nur 700 m hoch. In der Nähe des Auges wird die Ekmanschicht sogar auf 60 bis 100 m Dicke zusammengepresst und ist lediglich im windschwächeren Auge selbst etwas höher. Infolge der hohen Windgeschwindigkeiten existiert praktisch keine Prandtlschicht.
Bemerkung: Im Auge herrscht keineswegs Windstille! Der Hurrikan selbst verlagert sich (mit durchschnittlich 20-30 km/h) und der ortsfeste Beobachter spürt die Translationsgeschwindigkeit bei der Passage des Auges.
Der Augendurchmesser beträgt durchschnittlich 10 bis 200 km, die der Zyklone 200 bis 2000 km.
2.2 Passatwinde
Die Passatwinde lassen sich mit Hilfe der Flachwassergleichungen herleiten. Die Berechnung erfolgt über die Bewegungsgleichungen und die Kontinuitätsgleichung, wobei die Linearisierung mit der Reynolds-Mittelung geschieht. Die Reibung wird dabei auf Null gesetzt.
Resultat sind folgende Lösungen:
c1 = U = w1/k
Bei negativem U ist c1 < 0: Die Wellen wandern westwärts mit dem Grundstrom: Easterly Waves.
c2/3 = U +/- 1/k* sqrt (f² + 2kx² + gH)
U denotiert die Doppler-Verschiebung, kx ist die Trägheitsschwerewelle.
c2, c3 sind Trägheitsschwingungen, für w = f gilt: w = sqrt (gH) (Schwerewelle).
Skalenanalyse:
k* ~ 2*Pi/lambda ~ Pi/20 , f² ~ 10^-8
sqrt (2kxgH) = sqrt (1600) = 40 m/s
Fazit: Die Größenordnung von 40 m/s ist für Easterly Waves unrealistisch, daher sind diese Wellenlösungen zu verwerfen.
Im Hinblick auf die Entstehung von TC’s bedeutet das: Wenn sich großräumige Gewittersysteme über Afrika entwickeln, verlagern sich diese westwärts mit den Passatwinden auf den Atlantik hinaus. Nach einer Weile beginnt die Corioliskraft zu wirken und versetzt das System in Rotation. Sind die Bedingungen günstig – hohe SST und geringe Windscherung – kann daraus ein Tropensturm werden.
2.3 Monsun
Eine Spezialform eines Tropensturms ist das Monsuntief. Es handelt sich um ein großräumiges Hitzetief über Indien, das durch die starke Erhitzung des Festlands zustande kommt. Es saugt nachfolgend feuchtlabile Luftmassen vom umgebenden Indischen Ozean an, was zur Gewitterbildung führt. Die durch das Hitzetief erzeugte Windscherung zwischen Meer und Kontinent verhindert jedoch die Bildung tropischer Stürme.
2.4 Dynamische Voraussetzungen
Am Äquator beträgt die Corioliskraft 0, weshalb dort keine TC-Bildung stattfindet. Das Massenfeld passt sich dem Geschwindigkeitsfeld an (Rossbyzahl >> 1). Erst bei einer geographischen Breite von über 5 Grad sind TC’s möglich.
- Experimentell wurde herausgefunden, dass in den Entstehungsgebieten signifikante Werte an relativer Vorticity in der unteren Atmosphäre vorhanden sind (Gray, 1979).
Die Herleitung der allgemeinen Vorticitygleichung führt zum „In-Up-and-Out“-Prinzip, das besagt, dass der Outflow mehr Masse wegbringen muss als durch den Inflow einströmt, um den TC am Leben zu erhalten. Da sich der Inflow auf die untersten 3-4 km beschränkt, muss also „wenig schnell hinein“, während oben „viel langsam herauskommt“. Beschrieben wird das Prinzip durch die Sawyer-Eliassen-Gleichung.
Diese Näherung zeigt außerdem, dass ein Tropenpartikel etwa 4 Tage braucht, um Hurrikan-Vorticity (2*10^-4 Hz) zu erreichen – was empirisch belegt ist.
- Relativ geringe vertikale Windscherung ist notwendig, wobei das Prinzip gilt:
- Je stärker der Sturm, desto stärker bricht er aus der Umgebungsströmung aus (dreht nach rechts ab)
- Kleinere Stürme werden gesteuert, größere Stürme steuern sich selbst.
Die Zugbahn hängt folglich von der Umgebungsströmung, der Größe und der Intensität ab.
Dies gilt übrigens auch in den mittleren Breiten für synoptisch-skalige Druckgebiete (Synoptiker-Regel: „Der größere Wirbel steuert immer den kleineren„), aber auch für rotierende Gewitterzellen (Superzellen), die je nach Umgebungsströmung nach rechts oder links ausscheren.
Der Tropensturm besteht strenggenommen aus einem oberen und unteren Wirbel, wobei der obere Wirbel auf den unteren Wirbel Ventilation erzeugt. Im unteren befindet sich mehr Masse, er reagiert träger, sodass der obere um den unteren Teil rotiert. Sind die Höhenwinde zu stark, dann fällt Niederschlag ins Auge und der Sturm löst sich auf. Daher ist nur bei geringer Windscherung Tropische Zyklogenese möglich
Ausnahme: Der obere Wirbel ist so stark an den unteren Wirbel gekoppelt, dass der Sturm der vertikalen Windscherung widersteht – was starker Feuchtkonvektion bedarf, die im Anfangsstadium nicht gegeben ist (Entrainment vermindert konvektive Bewegung und Kopplung ist nicht gegeben).
Thermodynamische Voraussetzungen:
Für signifikante Tropenstürme müssen die SST über 26,5°C und die Thermokline (Sprungschicht) möglichst tief liegen, sodass ein großes Warmwasserreservoir vorhanden ist. Das Meer besteht üblicherweise aus dem Tiefenwasser (kalt), einer Sprungschicht und der Deckschicht (warm). Von Bedeutung ist eine flache Deckschicht für die Fischerei, deren Schleppnetze dann leicht ins nährstoff- und damit fischreiche Tiefenwasser gelangen.
Je wärmer die Deckschicht, desto höher die latente Wärme, allerdings kann es auch bei 23 bis 25 °C Tropensturmbildung geben! Entscheidend ist entsprechend vielmehr die verfügbare Feuchtlabilität und weniger die Absolutwerte. Letztere haben nur Auswirkungen auf die maximale Intensität. In der mittleren und höheren Troposphäre muss die relative Feuchte groß sein, um Entrainment zu reduzieren.
3. El Niño und La Niña
Die Lage und Tiefe der Deckschicht ist eng mit dem Phänomen El Niño verknüpft, das die Deckschicht vor Südamerika und im Westpazifik beeinflusst:
Die Handskizze zeigt die normalen Verhältnisse (oben) und die gestörten Verhältnisse (unten).
Im Normalfall „La Niña“ (vgl. November 2007) ist die Tiefe der Deckschicht vor Chile gering, sodass das Warmwasserreservoir gering ist und der kalte Humboldstrom dominiert. Der relativ höhere Luftdruck liegt somit vor Chile und bedingt absinkende Luftmassen und Wolkenauflösung, was die große Trockenheit in der Atacama-Wüste erklärt. Im Gegensatz dazu ist die Deckschicht über dem Westpazifik tiefer und begünstigt die Gewitterbildung, da größere Mengen an latenter Wärme zur Verfügung stehen. Der Meeresspiegel ist zudem sichtbar 1 Meter höher als vor Südamerika.
Im gestörten Fall „El Niño“ (vgl. Juli 2009) kehren sich die Verhältnisse um: Die Deckschicht vor Chile wird dicker und verdrängt den kalten Humboldstrom. Was die Fischer ärgert, führt zum (kurzen) Erblühen der Atacama-Wüste, da sich nun in der ungewohnt feuchtlabilen Luftmasse Regenwolken entladen. Im Gegensatz erlebt Australien Trockenheit.
In beiden Fällen sticht die markante Temperaturabkühlung (oben) bzw. -erwärmung (unten) vor dem nördlichen Südamerika ins Auge, die beide Phänomene charakterisiert.
Um den Rahmen nicht zu sprengen, die einfache Erklärung:
Die Schubspannung ist durch die Passatwinde westwärts gerichtet und befördert das Oberflächenwasser ebenfalls westwärts. Dadurch strömt kaltes Tiefenwasser vor Chile an die Oberfläche („upwelling“), was die Konvektion dort unterdrückt, während die dickere Deckschicht über dem Westpazifik Konvektion fördert (Hadley-Zelle). Wenn ein Mechanismus – man vermutet die Madden-Julian-Oscillation als Hauptverursacher – die Passatwinde schwächt oder gar aussetzt, schwappt das warme Wasser zurück. Es bilden sich Kelvin-Wellen, da die warme Deckschicht über kaltem Tiefenwasser dispersionsfrei ist. Diese durchqueren den Pazifik in 2-3 Monaten. Wellen an Grenzflächen laufen auf der Nordhalbkugel immer mit der Wand (Äquator) zur Rechten, werden also entlang der Küste Amerikas nord- bzw. südwärts abgelenkt. Dort stoßen sie ins Regime der Rossby-Wellen vor, die 9-12 Monate brauchen, um retrograd zu wandern.
Mit dem Wiederaufbau der Passatwinde verstärkt die Schubspannung die Rossby-Wellen zusätzlich, das Wasser wird zurückgeschoben. Im Westpazifik sinkt die Thermokline und die Deckschicht vergrößert sich.
In El-Niño -starken Jahren (z.B. 2009) kann die Hurrikanaktivität auf dem Atlantik tendenziell verringert sein, da durch die gestörte Meereszirkulation auch der Golfstrom beeinflusst wird (vgl. Abbildung), sodass der Atlantik abkühlt.
Allerdings sind bisher keine statistischen Zusammenhänge feststellbar, da bei verstärker konvektiver Tätigkeit der Outflow (in der Höhe) verstärkt ist, was die vertikale Windscherung vergrößert. Das Wegschwappen der Deckschicht wird als unbedeutend erachtet, da der Pool an warmen Wasser groß und konstant bleibt. Langfristtrends zur Hurrikanentwicklung führen jedenfalls nicht am Phänomen El Niño vorbei.
4. Regionale Klimatologie
4.1 Nordatlantik (11/a)
- hochvariable Zahl (2005: 29)
- 50 % Easterly Waves (Mai-Dezember), 50 % Karibik (November-Dezember)
- selten: Cut-off-Prozess im Nordostatlantik
- Maximum: Ende August bis Anfang September
4.2 Nordostpazifik (18/a)
- breite Verteilung: Mai – November
- höchste Entstehungsfrequenz pro Fläche (kein abgeschlossenes Bassin), oft über 20/a
- 50 % Easterly Waves, 50 % Leezyklogenese
4.3 Nordwestpazifik (26-30/a)
ganzjährig, 80 % aller Stürme im Bereich des Monsuntroges
größte, intensivste Stürme (hohe SST, wenig Land, geringe Scherung)
4.4 Nordindik (5-6/a)
- April-Juni, Oktober-Dezember (zwischen den Monsunzeiten)
- tödlichste Bedrohung, da sich Stürme nahe Land entwickeln und hohe Bevölkerungsdichte herrscht.
- größte Gefahr durch Überschwemmungen, da Landfläche unterhalb des Meeresspiegels
- 1970: ~ 200 000 Tote; 1991: ~ 100 000 Tote; 2008: ~ 150 000 Tote
4.5 Südwestindik (15/a)
- Maximum im Jänner
- Saison von Oktober bis Mai
- Spitzenniederschläge im Bereich La Réunion (Insel mit Weltrekord, was Niederschlag in 24 und 72 Std. betrifft: 1825 mm (15/16.3.1952 während Zyklon DENISE) bzw. 3929 mm (24-27.2.2007 während Zyklon GAMEDE)
4.6 Australien und Südostindik (15/a)
November bis Mai
bilden sich u.a. nördlich von Australien aus Mesoskaligen Konvektiven Systemen (MCS), entsprechend sehr kleinräumig und schwer vorherzusagen
4.7 Südwestpazifik
- Oktober bis Juli
- kaum ein Sturm beim Barrier Reef
- weiter als 300 km vom Land entfernt
5. Auswirkungen von Tropischen Zyklonen
Meteorologische Auswirkungen
- niedriger Luftdruck (bis 870 hPa)
- Starkregen
- Wind (Böen bis über 300 km/h)
- Effekte lokaler Tiden
- Überflutungen aufgrund lokaler Küstenkonfiguration
Auf der rechten Seite des Sturms addieren sich zudem Rotation und Translation, was einen verstärkten Low-Level-Jet erzeugt, sodass sich bevorzugt hier Tornados entwickeln. Das Hagelrisiko ist hingegen wegen der hohen Nullgradgrenze der Feuchttemperatur vermindert.
Infrastrukturelle Auswirkungen
- Erosion von Küsten
- Schäden an Gebäuden (onshore) und Ölplattformen (offshore)
- gekenterte Boote und Schiffe (offshore), zerstörte Häfen (onshore)
- Schäden für die Fischerei (Erwerbsausfall während Tropensturmtätigkeit)
- Feuersbrünste
- Verlust der elektrischen Versorgung
- Plünderungen
Landwirtschaftliche Auswirkungen
- Bodenfruchtbarkeit durch Meersalze geschädigt
- Landsubsidenz, Erdrutsche, beschädigte Verkehrswege
- Trinkwasser verseucht (insbesondere durch Ölverschmutzungen)
- Pflanzenbestand geschädigt
Positive Auswirkungen
- In ariden Gebieten lebenswichtiger Regen, z.B. in Mexiko
- Aufmischung von Tiefenwasser (upwelling), sodass nährstoffreiches Wasser nach oben gelangt und im „Sog von Hurrikans“ gefischt werden kann.
6. Tropische Stürme und Klimawandel
6.1. Klimawandel und konvektive Skala
Je großräumiger und linearer ein Prozess, desto leichter lassen sich für ihn Langfristrends erstellen.
Um banal anzufangen: Dank dem exakt vorausberechenbaren Sonnenstand lassen sich Jahreszeiten für beliebige Orte geographischer Breite exakt bestimmen. Dies gilt jedoch nur für ein Mittel, nicht für exakte Zeitpunkte, da eine Vorhersage von Wetterlagen über einen 14-tätigen Zeitraum hinaus nicht möglich und über Jahre hinweg gesehen utopisch ist.
Lineare Kausalitäten sind beispielsweise: Eine Zunahme von langen Rossby-Wellen führt zu einer längeren Verweildauer einer Luftmasse bzw. eines Wettertyps, unabhängig ob hoher oder tiefer Luftdruck, da sich lange Wellen langsamer verlagern als kurze Wellen.
Obwohl ein Tropensturm ein verhältnismäßig großes Gebilde ist, resultiert seine Entwicklung aus extrem kleinräumigen Prozessen: Luftpakete werden gehoben, kondensieren, setzen latente Wärme frei und steigen weiter auf. Es bilden sich schließlich Gewitterwolken, die sich zu Multizellen zusammenschließen. Mehrere Multizellen bilden ein konvektives System, das nach einigen Stunden oder Tagen einen mesoskaligen konvektiven Komplex (MCC) ausbilden. Es handelt sich dabei um das größtmögliche Gewittergebilde auf unserem Planeten mit einem Durchmesser von mehreren hundert Kilometern. Zum Vergleich: Der Umfang von Taifun TIP (Radius = 1100 km) betrug 17 Prozent vom Erdumfang, der von Tropensturm MARCO (2008) dagegen nur 0,3 Prozent. Oder mit anderen Worten: Die Größenordnung von Tropenstürmen ist extrem variabel.
Konvektive Prozesse sind nichtlinear, da sie von mehreren – räumlich und zeitlich – variablen Faktoren abhängen. Eine Gewitterwolke bildet sich z.B. nur, wenn Feuchte, Instabilität und Hebung in genügendem Ausmaß zusammenkommen (sonst bildet sich eine flache Quellwolke, aber nicht mehr). Für einen Tropensturm braucht es mehr: Schwache Höhenwinde, genügend absolute und relative Feuchte, möglichst viel warmes Wasser und Corioliskraft. Erst, wenn das Gemisch stimmt, entwickelt sich ein Tropensturm.
Das stellt uns bereits in der Kurzfristprognose vor große Schwierigkeiten. Es ist bereits schwierig, Schauer lokal und zeitlich exakt vorherzusagen. mit Tornados schaut es nicht besser aus, und bei Tropensturmen wird ebenfalls nur mit Wahrscheinlichkeiten gearbeitet. Wer die Vorhersagen des NHC über einen längeren Zeitraum verfolgt, stellt teils beträchtliche Unsicherheiten fest. Mal liegt die Chance, dass sich innerhalb 48 Stunden ein Tropensturm entwickelt, bei 40 %, bei 60 % und plötzlich nur bei 10 %. Obwohl die Prognosen hervorragend sind, sind die Unsicherheiten immer noch groß.
Hinzu kommt, dass Grundlagen der Tropensturmentwicklung noch nicht vollständig verstanden sind:
- Verstärkung von Hurrikan ANDREW von 72 hPa in 24 Stunden
- Bildung der äußeren Eyewall
- Heizung der inneren Eyewall
Klimamodelle lassen sich natürlich umso besser füttern, je mehr physikalische Zusammenhänge verstanden worden sind.
6.2 Beobachtungen und Trends
These:
Durch die Erhöhung der Meeresoberflächentemperaturen (SST) werden Tropenstürme häufiger und kräftiger.
Gegenargumente:
- Datenverlässlichkeit ist inkonsistent: Mittelwind und Kerndruck werden operationell bestimmt. Je nach Methode (Dvorak 1967, Koba 1969) gibt es Intensitätssprünge (höhere oder niedrigere Kategorien).
- Erfassung ist inkonsistent, da sich die Technik verbessert (seit 1948 Aufzeichnungen), dadurch werden stärkere Stürme besser erfasst
- Große Dunkelziffer an „fish storms“: vor der Satellitenbeobachtung ab 1964 wurden nur Landgänge erfasst, ca. ein Drittel aller Stürme erreicht nie das Land.
- Windscherung ist eine viel fundamentalere Größe, was die Tropensturmentstehung betrifft (KLOTZBACH 20061).
- 60 Jahre Daten sind statistisch nicht signifikant, da es möglicherweise lange periodische Schwankungen gibt, die sowohl ozeanische als auch atmosphärische Ursachen haben (z.B. El Niño) können.
- Je nach Region ist die Zahl der Tropenstürme hochvariabel
Einen differenzierteren Blick auf den Zusammenhang zwischen Tropischen Stürmen und Klimawandel warfen Forscher und Vorhersager beim „6th International Workshop on Tropical Cyclones of the WMO in San Jose, Costa Rica (2006)“: Die wichtigsten Schlussfolgerungen sowie der gesamte Bericht sind hier abrufbar.
Hurrikan HARVEY, der 2017 u.a. die Millionenstadt Houston mit Überschwemmungen heimsuchte, ist ein Beleg dafür, dass die Erhöhung der Meeresoberflächentemperaturen zu einer Zunahme der Regenmengen (Regenrekorde) selbst bei schwachen Tropenstürmen mitsichbringen kann. Auch wird vermutet, dass Hurrikane durch das größere Wärmereservoir rascher stärker werden als zuvor.
Unabhängig von der Frage, ob Tropenstürme mehr Wind bringen, sollte berücksichtigt werden, dass die Hauptgefahr im Starkregen und Überflutungen bzw. Erdrutschen liegt. Selbst schwache Tropenstürme bringen reichlich Regen und können langsam ziehend große Schäden anrichten. So kann die Zunahme des Wasserdampfgehaltes (gekoppelt an die Zunahme der Temperatur) zu größeren Regenmengen führen, selbst wenn es sich nicht um einen starken oder verheerenden Tropensturm handelt.
1Klotzbach, P. J. (2006), Trends in global tropical cyclone activity over the past twenty
years (1986–2005), Geophys. Res. Lett., 33, L10805, doi:10.1029/2006GL025881.