Fallstudie Moore-Tornado (20.05.2013)

In dieser Fallstudie sollen die Wetterbedingungen beim Tornado von Moore, Oklahoma City (20.05.2013, 19.45-20.35 UTC) näher betrachtet werden. Zudem wird auf die aufgeworfenen Fragen der Presse eingegangen, ob solche zerstörerischen Tornados auch in Mitteleuropa möglich sind.

Warum baut man in den USA keine stabileren Häuser?

Zum einen sind Häuser aus Beton und Ziegelsteinen teurer als in der Leichtbauweise oder als „mobile home“, zum Anderen würden auch massive Gebäude mitteleuropäischer Bauweise einem F4- oder F5-Tornado nicht standhalten. Das Beispielbild zeigt Schäden eines starken Tornados in Ellmau, Tiroler Unterland, am 25. August 2012:

Beschädigtes Gebäude in Ellmau, Tirol – Quelle: (c) Zoom Tirol/ , http://tirol.orf.at/news/stories/2547251/

Die Gebäudeschaden sind mindestens im F2-T5-Bereich einzuordnen, was Windgeschwindigkeiten um 240 km/h entspricht, das sind „nur“ 80 km/h weniger als der Tornado in Moore eingeordnet wird. Bei massiver Bauweise besteht somit die Gefahr, von einstürzenden Wänden und Trümmergeschossen verschüttet/getötet zu werden – ein Schutzkeller ist daher wesentlich sicherer, wenngleich bei heftigem Regen Ertrinkungsgefahr besteht. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es zwar nicht, denn war die Vorwarnzeit lange genug (über 30 min für Moore!) beachtlich, und deswegen gab es auch verhältnismäßig wenig Opfer.

Ein weiterer Grund für verhältnismäßig wenige (stabile) Schutzbunker in Oklahoma ist die Bodenbeschaffenheit, die aus Ton/Lehm besteht, und sich durch Regenwasser und anschließende Trockenphasen ausdehnt und wieder zusammenzieht. Auch Kalkgestein, das Wasser absorbiert, macht den Konstrukteuren zu schaffen – somit ist die Gefahr erhöht, dass die Kellerwände einstürzen. Einzige Abhilfe: Verstärkung durch Stahl, aber das ist sehr kostenintensiv. (Quelle: thealtantic.com )

Was ist der Unterschied zwischen der F-Skala und EF-Skala?

In den amerikanischen Medien ist von EF-4 oder EF-5 die Rede, in Europa dagegen von F3 und F4 – was ist damit gemeint? Ted Fujita hat 1971 die Fujita-Torro-Skala entwickelt, die die Windgeschwindigkeiten in Tornados anhand von Schäden schätzt (nicht misst!). Je nach Schadenstyp und -intensität ist es somit möglich, Tornados in verschiedene Stärken einzustufen – allerdings erst, nachdem er aufgetreten ist. Im Jahr 2007 wurde die Fujita-Skala in den USA erweitert (Enhanced Fujita-Skala, daher EF), um die abweichende Bauweise (mobile homes, Leichtbauweise) zu berücksichtigten. Diese Veränderung ist unter Tornadoexperten allerdings stark umstritten. Reicht die alte, in Europa nach wie vor verwendete Skala noch bis 500 km/h, ist bei der neuen bei 320 km/h Schluss.

Hier eine Gegenüberstellung der neuen und alten Fujita-Skala:

Gegenüberstellung alte und neue F-Skala, Quelle: http://www.wunderground.com/resources/severe/fujita_scale.asp

Das bedeutet nichts anderes, dass ein EF-5-Tornado einem F3-T7 entspricht, und in den USA nachfolgend nicht mehr zwischen F4- und F5 unterschieden wird, weil etwa bei Leichtbauweise kein Intensitätsunterschied mehr nachgewiesen werden kann. Wie die errechneten 500 km/h beim Tornado am 3. Mai 1999 (ebenfalls Oklahoma City) dazu passen, wissen nur die Ingenieure, die ebenso behaupten, Autos können nicht fliegen (die gezeigten Schäden strafen derartigen Behauptungen Lügen). Problematisch ist aber vor allem (wieder einmal) die nun vorherrschende Veruneinheitlichung der Skalen. Ein EF-5 kann somit (nach alter Skala) einem F3-T7 bis F5-T11 entsprechen. Schadensexperten in Europa, etwa Martin Hubrig (Skywarn Deutschland, Dipl.-Forstwirt) oder Bernold Feuerstein (ESSL) sind sehr wohl der Ansicht, dass man auch oberhalb von 320 km/h noch differenzieren kann, vgl. hierzu etwa http://www.skywarn.de/downloads/schadensanalyse/schadensskala_bebildert.pdf

Fazit: Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es recht wahrscheinlich, dass der EF-5-Tornado in Moore mindestens F4 nach alter Skala entspricht.

Warum treten starke Tornados bevorzugt im Mittleren Westen der USA auf?

Im wesentlichen liegt es an der ungehinderten Feuchtezufuhr aus dem Golf von Mexiko, die von trockener Gebirgsluft aus den Rocky Mountains überlagert wird. Das erzeugt gewaltige Mengen potentieller konvektiver Energie (= CAPE), nicht selten über 3000 J/kg. Laut Radiosondenaufstieg unmittelbar vor dem Tornado wurden im Umfeld des Moore-Tornados rund 4000 J/kg erreicht.  Im instabilsten Fall standen sogar 5000 J/kg zur Verfügung. Die gewaltige Energie spielt bei der Tornadointensität jedoch nur dann eine Rolle, wenn sie sich auf die untersten Luftschichten konzentriert. Hier kommt die bodennahe vertikale Windscherung ins Spiel: Sie wird durch die Leezyklogenese verstärkt, der abgelenkte und verstärkte Jetstream verursacht starke Höhenwinde. In der Tornado-Alley treffen somit günstige Scherungsverhältnisse auf hohe Energiewerte.

In Mitteleuropa kommen diese Bedingungen wesentlich seltener vor: Bei einem stark geschertem Umfeld ist die Energie oft schon verbraucht, bei viel Energie ist die Scherung schwächer. Doch selbst bei wesentlich geringerer Energie wurden schon verheerende Tornados in Europa beobachtet, etwa am 3. August 2008 in Hautmont, Nordfrankreich, der als F4-T8 eingestuft wurde. Auch der Tornado in Wiener Neustadt, Niederösterreich, am 10. Juli 1916 ist inzwischen auf F4-T8 hochgestuft worden. CAPE-Werte über 3000 J/kg treten allerdings in Mitteleuropa selten auf, in den Regionen mit F4-Tornados (z.B. Nordfrankreich, Norddeutschland, Südfinnland, sind Werte über 2000 J/kg eher unwahrscheinlich. Hier muss man der Windscherung einen wesentlich höheren Stellenwert beimessen, das gilt speziell in Zusammenhang mit Winterstürmen. Selbst bei minimalen CAPE-Werten (< 500 J/kg), aber etwa 150 km/h Mittelwind in 1500 m (Beispiel: Orkan KYRILL am 18.1.2007) sind F3-Tornados aufgetreten.

Fazit: In Summe ist festzuhalten, dass der Mittlere Westen der USA durch die Nord-Süd-Ausrichtung der Rocky Mountains klimatologisch für die Kombination besonders energiereicher Luftmassen und scherungsreicher Wetterlagen begünstigt ist. Dies erklärt die Häufung verheerender Tornados. In Mitteleuropa ist zwar der Energiegehalt im Durchschnitt geringer, aber ähnliche, wenn nicht stärkere Windverhältnisse kompensieren dieses Manko, weshalb jährlich bis alle paar Jahre Tornados bis zum F4-Bereich auftreten.

CAPE ist dabei kein guter Indikator für die F-Stärke, da in den seltensten Fällen die exakten CAPE-Werte zum Zeitpunkt des Tornados bekannt sind. Zudem kann selbst eine Mischung aus rascher Verlagerungsgeschwindigkeit, starker bodennaher Scherung und minimalen CAPE Tornados bis F4-Stärke hervorrufen.

Werden Tornados durch den Zusammenprall von Warm- und Kaltluft verursacht?

Nach wie vor herrscht – selbst in amerikanischen – Medien („clash of air masses“) das gängige Bild vor, Tornados entstünden durch den Zusammenprall von warmen und kalten Luftmassen (Kaltfronten) bzw. durch das „strudelförmige Absinken von kalter Luft in der Höhe“ (Quelle: BILD).

Tatsächlich entstehen die tornadischen Gewitterzellen (auch Superzellen genannt, wobei nicht jede Superzelle einen Tornado produziert) im Vorfeld einer Kaltfront, in den USA recht häufig im Vorfeld einer Dryline. Es handelt sich hierbei um eine Front, die sich durch einen starken Abfall der relativen Luftfeuchte kennzeichnet.

Nachfolgend habe ich ein paar Wetterkarten zu den Bedingungen vor, während und nach dem Tornado zusammengetragen – zu beachten ist das (leider) amerikanische Einheitensystem (Fahrenheit statt Grad Celcius).

Fronten, Bodendruck (in mb), Windfiedern (in Knoten) sowie Temperatur und Taupunkt (in Fahrenheit) am 20. Mai, 18.00 UTC (etwa zwei Stunden vor dem Tornado).

Ein kräftiges Tiefdruckgebiet befindet sich über Dakota und Minnesota, seine langgestreckte Kaltfront geht über den südlichen Bundesstaaten in eine wellende Front über, ein kleines Bodentief hat sich daran im Südwesten des Bundesstaates Oklahoma ausgebildet. Die Luftdruckgegensätze sind dort sonst sehr gering, weshalb sich bodennah rückdrehende Winde einstellen können (erhöhen die bodennahe Scherung).

Zwar ist die Kaltfront in Oklahoma nicht als solche ausgeprägt, doch gibt es hier ausgeprägtere Feuchteunterschiede. Vor der Front werden 28°C Lufttemperatur und 22°C Taupunkt gemessen, dahinter sind es 29°C über 15°C, weiter westlich sogar nur noch 22°C über 3°C.

Infrarot-Satellitenbild, Bodendruck und Windvektoren am 20.5.13, 20 UTC

Das kombinierte Analysefeld zeigt die linienförmig angeordneten Gewittercluster über Oklahoma, die sich entlang des Windsprungs am Boden entwickeln. Dahinter ist die Luft sehr trocken, weder ausgedehnte Wolkenfelder noch weitere Gewitterwolken sind sichtbar.

Bodentemperatur um 20 UTC (Fahrenheit)

Die Bodentemperaturen zeigen deutlich, dass die Kaltfront wesentlich westlich des aufgetretenen Tornados lag, nämlich noch über Nordtexas und New Mexiko. Mangels Unterstützung aus der Höhe war der Kaltfrontdurchgang unspektakulär. Im Raum Oklahoma City gibt es dagegen kaum Temperaturunterschiede, aber …

Bodentaupunkt um 20 UTC in Fahrenheit)

.. anders verhält es sich mit der Feuchteverteilung, denn hier herrscht von der Mitte Oklahomas (= um Moore,Oklahoma City) bis in den Westen Texas ein markanter Taupunktsrückgang von +18°C auf -4°C. Das entspricht einem Rückgang der relativen Luftfeuchte von 51 % auf 11 %!

Infrarot-Satellitenbild um 20 UTC + Bodenbeobachtungen

Vor dem Tornado liegt das Bodentief knapp südwestlich (östliche Winde in Moore!), bei fast gleichbleibender Lufttemperatur nimmt die relative Feuchte nach Westen hin markant ab.

Infrarotsatellitenbild um 21 UTC + Bodenbeobachtungen

Nach Ende des Tornados (Lebensdauer: ca. 50 min, Zugstrecke: 27 Kilometer, Zugrichtung: Nordost, später Ost, Breite: bis 2 km) ist es zwar etwas kühler geworden, weiter westlich ist die Lufttemperatur aber sogar noch angestiegen. Ein Luftmassenwechsel hat auch nach dem Tornado kaum stattgefunden.

METAR (bestehend aus Temperatur, Taupunkt, Windfiedern, Luftdruck, Böen) um 20.43 UTC

Die Bodenbeobachtungen zeigen sehr schön den Windsprung und allmählichen Feuchterückgang im Bereich der tornadischen Zelle.

Skizze aus dem Cometprogram

Im Übergangsbereich von feuchter zu trockener Luft schiebt sich die trockene Luft keilförmig unter die feuchte Luft und hebt diese an. Die Dryline fungiert daher wie eine Kaltfront nach dem Schulbuch. Weiter westlich ist die trockene Luft so hochreichend, dass Gewitterbildung unterdrückt wird. Entsprechend bilden sich die Gewitterwolken an der Vorderkante der Dryline.

In der Vertikalen zeigte sich die Situation wie folgt:

Radiosondenaufstieg von Norman, 35 km südöstlich von Oklahoma City, am 20.05.13 um 18 UTC

Bis etwa 1,5 km Höhe ist die Schicht sehr feucht, darüber schiebt sich deutlich trockenere Luft, zwischen 1,5 km und etwa 4 km Höhe nimmt die Temperatur mit 1 °C pro 100 m ab. Die Folge ist gewaltiger Energieaufbau bis über 3000 J/kg (gemittelt!). Durch bodennahe Erhitzung wäre es nicht zur Auslösung gekommen, dafür hätte es höhere Taupunkte gebraucht (mehr als 23°C wurden nirgends erreicht) oder rund 40°C am Boden (mehr als 32°C wurden nirgends erreicht). Die Auslösung war also nicht „hausgemacht“, sondern kam durch einen externen Hebungsantrieb zustande (Dryline + Jetstream).

Die bodennah rückdrehenden Winde in Moore verstärkten die vertikale Windscherung noch, die sehr feuchte Bodenluft sorgte für extrem niedrige Wolkenuntergrenzen. Diese verkürzen die Distanz der rotierenden Luftsäule zum Boden, erhöhen den bodennahen Auftrieb („LL CAPE“) und verhindern eine starke Abkühlung der Bodenluft durch Verdunstungskälte.

Nach dem heutigen Stand der Tornadoforschung werden starke Tornados begünstigt, wenn die Abwinde an der Rückseite (= Rear Flank Downdraft, RFD) der Superzelle nicht zu kalt sind (was bei hohen Wolkenuntergrenzen der Fall wäre). Denn der Tornado entsteht nicht im Aufwind der Gewitterwolke (Horizontale Vorticity, die durch den Aufwind in die Vertikale gekippt wird, würde die Wirbelstärke nach oben transportieren – tatsächlich herrschen die stärksten Windgeschwindigkeiten eines Tornados am Boden und nehmen konisch nach oben ab), sondern im Abwind, der Aufwind sorgt dann für die Konzentration der Wirbelstärke. Ist der RFD zu kalt, dann schneidet er die Energiezufuhr zum Aufwind ab und wirkt zudem abtreibend, die Konzentration kann nicht stattfinden, ein warmer RFD trägt dagegen zum Auftrieb bei. Relativ warme Abwinde begünstigen also langlebige und intensive Rotation.

Wichtig: Hier kommt dann die Dryline ins Spiel – wird an der Rückseite der Gewitterwolke trockene Luft einbezogen, bildet sich weniger Niederschlag und damit weniger Verdunstungskälte, der RFD wird damit tendenziell wärmer ausfallen.

Im Fall von Moore, Oklahoma, haben folglich alle Zutaten für einen schweren Tornado gepasst:

Die Radarsequenzen zeigen ein lehrbuchhaftes Hakenecho um 20.24 UTC (oben) und 20.30 UTC (unten)

An der Rückseite der Superzelle entstehen entlang des RFDs zudem neue Gewitterwolken („flanking line“), der Tornado selbst befindet sich im Kern der Schnecke, das ein massives Echo aufgrund der gewaltigen Trümmerwolke aufweist. Beobachter vermuteten zuerst einen rain-wrapped Tornado, tatsächlich handelte es sich um gewaltige Trümmer, die den Tornado umzirkelten und bis zu 160 km weit geschleudert worden.

Quellen: koco.com/weather/radar , http://weather.rap.ucar.edu/surface/http://ww2010.atmos.uiuc.edu/ , http://weather.uwyo.edu/upperair/europe.html

Märchen um die Vorwarnzeit

Gerade dieses Ereignis zeigt, wie unberechenbar Tornados sein können. Der Tornado intensivierte sich vor Moore dramatisch, dennoch betrug die Vorwarnzeit 36 min – ein exzellentes Warnmanagement! Lediglich in Newcastle waren es nur 16 min, was immer noch leicht über dem Durchschnitt (12 min) ist – genügend Zeit, um die Schutzräume aufzusuchen. Dies ist auch der relativ langsamen Verlagerung des Tornados (nur 30 km/h, durchschnittlich sind es meist 50 km/h) zu verdanken. Entsprechend gab es angesichts der Totalzerstörung mancher Wohngebiete erstaunlich wenig Todesopfer. Das zeigt  auch auf, wie gut die Bürger in den Risikogebieten der USA auf Tornados vorbereitet sind. Dank modernster Radartechniken und Unterstützung durch Sturmjäger, aber auch dank des flachen Geländes, das eine sehr gute Sicht und Chasing von Tornados zulässt, sind Tornados im Mittleren Westen der USA relativ gut vorhersagbar (immerhin gibt es eine Vorwarnzeit!). Im hügeligen bis gebirgigen Terrain weiter Teile von Mitteleuropa ist die Sicht für Radar und Mensch versperrt, Vorlaufzeiten entsprechend kürzer bis gar nicht vorhanden. Im Fall eines F5-Tornados ist der sicherste Ort ohnehin außerhalb der Tornadozugbahn.

Und was hat der Klimawandel mit all dem zu tun?

Einzelereignisse lassen erst einmal keine Rückschlüsse auf den Klimawandel zu. Schwere Tornados gibt es in den USA immer wieder, zuletzt am 22. Mai 2011 in Joplin, Missouri und am 03. Mai 1999 in Oklahoma City, auch in Mitteleuropa sind sie über Jahrhunderte hinweg belegt, so am 10.Juli 1968 in Pforzheim, Baden-Württemberg (F4-T8), in Hainichen, Sachsen im Jahr 1800 (F5) sowie Woldegk, Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1764 ausführlich dokumentiert (F5). Der Umstand, dass zumindest in den letzten 40 Jahren kein F5-Tornado aufgetreten ist, lässt also nicht gerade eine Häufung der schwersten Kategorie von Tornados erkennen.

In einem hochinteressanten Vortrag von Harold Brooks, den dieser auf der European Conference on Severe Storms in Palma de Mallorca (Oktober 2011) hielt, wird nach derzeitigem Kenntnisstand erwartet:

  • Die Energie in der Luft nimmt zu (durch Temperaturanstieg, mehr Wasserdampf in der Luft)
  • Die vertikale Windscherung nimmt ab (durch den Rückgang des Temperaturunterschieds zwischen Pol und Äquator infolge der Eisschmelze und veränderter Meeresströmungen).

Als Folge könnte die Tornadohäufigkeit abnehmen, die -intensität aber zunehmen.

In Europa kommen unter Umständen noch eher lokale Effekte hinzu als in den USA, etwa Föhnwinde, Hitzeplatte der Alpen, usw., sodass sich hier noch weniger eine pauschale Aussage treffen lässt.

Zusammenfassung:

Nach langer Zeit hatte ich am Abend des Moore-Tornados wieder einmal einen Livestream eingeschaltet, und mich durch den Experten Mike Morgan bei KFOR faszinieren lassen. Die Faszination schlug spätestens beim Anblick der eingestürzten Schulen in Schrecken um, aus der Spannung wurde Betroffenheit, als der Helikopterüberflug von einem dort ansässigen Reporter gemacht wurde, der das zerstörte Gebiet, in dem er aufwuchs, für die Zuseher beschrieb.

i) Auch stabile Häuser wie in Mitteleuropa hätten dem Tornado wenig entgegenzusetzen gehabt, die Gefahr schwerer oder sogar tödlicher Verletzungen durch Einsturz von Betonteilen und schwerer Trümmergeschosse sogar noch erhöht – im Gegensatz zum Aufenthalt im Schutzbunker. In Mitteleuropa wäre die Opferzahl möglicherweise höher ausgefallen, weil viele denken, sie seien durch die Betonbauweise sicherer.

ii) Die F- und EF-Skala sind für europäische Medien mitunter verwirrend, wenn einmal von einem EF-5 Tornado, und dann von einem F3-Tornado die Rede ist. Zur EF-Skala gibt es berechtigt viel Kritik aus der Reihe namhafter Tornadoexperten, sowohl in den USA (Chuck Doswell) als auch in Europa (Bernold Feuerstein).

iii) Im Mittleren Westen der USA sorgt der durch die Rocky Mountains abgelenkte Jet für kräftige Tiefdruckgebiete und markante Windscherung, die Feuchtezufuhr vom Golf von Mexiko findet mangels Gebirgsbarriere ungehindert statt, von den Rocky Mountains und den Great Plains selbst wird sehr trockene Luft herangeführt. In der Tornado-Alley überschneiden sich trockene und feuchte Luft häufig, Drylines sind die Folge, und die Kombination aus viel Energie und viel Scherung resultiert in zerstörerischen Tornados.

iv) In Mitteleuropa ist der Mix aus viel Energie und viel Scherung zwar seltener anzutreffen, aber zerstörerische Tornados werden nahezu jährlich beobachtet, auch durch Winterstürme. F5-Tornados treten etwa alle 50 bis 100 Jahre auf.

v) Die Kurzfrist-Vorhersage von Tornados wird durch deren Unberechenbarkeit erschwert, Gewitterwolken verhalten sich ohnehin nichtlinear, und Stärke und Zugbahn lassen sich somit nicht ohne weiteres extrapolieren. Eine gute Vorbereitung der Bevölkerung mit regelmäßigen Katastrophenübungen ist daher der beste Schutz vor einer hohen Opferzahl – ganz vermeiden lassen sie sich leider nicht.

vi) Tornados hat es schon immer gegeben, in allen Erdteilen, in denen die Bedingungen dafür erfüllt sind. Auch starke Tornados sind bis in die Zeit vor der Industrialisierung überliefert. Eine Häufung lässt sich im Industriezeitalter nicht beobachten (*) – allenfalls eine Schein-Zunahme durch moderne Technik (Kamera, Handys) und bessere Erfassung (Datennetzwerke, Internet).

Ausführliche Analysen zum Moore-Tornado (Stand 28.Mai 2013):