Sting Jets

Der Sting Jet entwickelt sich genau zwischen Spitze der eingezwirbelten Warmfront und dem vordringenden Dryslot.

Die Skizze zeigt das warme Förderband (rot) und das kalte Förderband (türkis) sowie den Ort des Sting Jets (SJ). Der Dryslot stößt rückseitig der Kaltfront zum Tiefdruckkern vor, wobei hier die Warmfront in der Spitze als Kaltfront eingezeichnet ist.

Die Prozesse, die dort ablaufen, sind nicht trivial und erst recht nicht so einfach zu erklären:

Dort, wo die Wolkenluft der eingezwirbelten Warmfront in den Dryslot gerät, tritt Verdunstung ein. Gleichzeitig erwärmen sich die Wolkenobergrenzen durch die Freisetzung von CSI (conditional symmetric instability). CSI entsteht vereinfacht gesagt bei vertikaler Windscherung und gesättigter Luftsäule durch die ganze Atmosphäre hindurch (beides ist bei Warmfronten in Shapiro-Keyser-Zyklonen vorhanden).

Der Wolkenkopf hat eine bandenförmige Struktur, was mit der Existenz von mehrfachen, mesoskaligen, schrägen Zirkulationen übereinstimmt. Luft innerhalb dieser Zirkulationen verlässt die hakenförmige Spitze des Wolkenkopfs (und betritt den Dryslot) viel rascher als die Rate der Durchwanderung der Wolkenkopfspitze, was eine rasche Verdunstung und diabatische Abkühlung unmittelbar stromaufwärts des Gebiets mit den schadensbringenden Bodenwinden impliziert.

Quelle und Übersetzung von: http://ams.confex.com/ams/13Meso/techprogram/paper_155025.htm

Im Bereich der eingedrehten Warmfront bilden sich Regenbänder aus, die auf geneigte Zirkulationen (slantwise circulations) hindeuten. Die Luft strömt aus der Spitze der eingedrehten Front rascher heraus als sie sich innerhalb der Bänder bewegen. Das deutet auf eine rasche Verdunstung und entsprechende Abkühlung hin.

Browning erwähnt auch, dass durch die Dry Intrusion rückseitig der Kaltfront potentielle Instabilität erzeugt wird, die manchmal zu Schauern/Gewittern führen kann, welche dann manche, jedoch nicht alle der stärksten Böen hervorruft (was auch beim Norweger-Modell der Fall ist!).

Weiters wird in der Diskussion die Problematik aufgegriffen, welche Rolle die Verdunstung bei der Entstehung der sting jets spielt. Browning argumentiert, dass die Verdunstungskälte die statische Stabilität im Dryslot (weiter) reduziert und damit zur Auslösung von Konvektion im Bereich des Dryslots beiträgt. Die Rolle von CSI ist nicht restlos geklärt, Browning führt sie in Zusammenhang mit den mesoskaligen Bändern an.

Essentiell für die Entstehung heftiger Böen in Zusammenhang mit sting jets sind die Verdunstungsprozesse und verstärkte Abwärtsbewegungen.

Weitere Spekulation:

Während der Shapiro-Keyser-Zyklogenese entwickelt sich das Bild einer „frontal fracture“ – zwischen Kaltfront und Warmfront sowie an der Spitze der umgebogenen Warmfront setzen frontolytische Prozesse ein. Die horizontalen Isentropen fächern auseinander (auch zu sehen in 850 hPa ThetaE), wodurch der thermische Gradient abgeschwächt wird und Frontolyse stattfindet, was mit absinkenden Luftmassen aus der mittleren bzw. oberen Strömungshöhe einhergeht (das vertikale Windmaximum wird vor allem zwischen 800 und 650 hPa beobachtet). Die Querzirkulation an der Kaltfront mit rückseitigem Absinken verstärkt das Absinken zusätzlich. Der zurückgebogene Teil der Front wird durch den aufsteigenden Ast des kalten Förderbands (cold conveyor belt) am Leben gehalten.  Durch Frontolyse und Absinken wird die Luft trockener, es bildet sich der charakteristische Dryslot im Wasserdampfbild. In einer räumlich und zeitlich begrenzten Phase überlappt die absinkende trockene Strömung den cold conveyor belt mit der Frontspitze und der Sting Jet findet statt. In einer Fallstudie von Martínez-Alvarado et al. (2014b) wurde gezeigt, dass der Sting Jet nicht aus der Stratosphäre absinkt, wie häufig aufgrund der Dry Intrusion fehlinterpretiert wird. Das passt zu FRIEDERIKE, wo keine ausgeprägte Dry Intrusion im Wasserdampfbild beobachtet wurde, zumindest nicht dort, wo die Spitzenböen später auftraten.

Voraussetzung für den Sting Jet sind ausreichend lang anhaltendes Absinken sowie geringe statische Stabilität in der Grenzschicht, letztere kann erreicht werden durch Kaltluftadvektion oder sensible Wärme- und Feuchteflüsse. Verdunstungskälte ist keine Voraussetzung für das Herabmischen der starken Höhenwinde, kann aber die statische Stabilität herabsetzen und die Durchmischung erleichtern. Conditional Symmetric Instability (CSI) scheint eine wichtige Rolle zu spielen, die Freisetzung erleichtert zumindest die Bildung eines Sting Jets. Während er um rund 200 hPa absinkt, beschleunigt der Sting Jet deutlich, z.B. von 20 auf 50 m/s. Die Beschleunigung wird vor allem darauf zurückgeführt, dass der Sting Jet sich in einem Gebiet mit Druckgradientverschärfung entwickelt. Die treibende Kraft für die Beschleunigung ist also die isallobarische Druckänderung (ausgenommen FRIEDERIKE), nicht aber für das Absinken selbst.

Schließlich ringelt sich die Warmfront bzw. Okklusion weiter ein und der cold conveyor belt jet ersetzt den sting jet. In oben genannter Fallstudie wurden beide Jets gleichzeitig beobachtet, die aus unterschiedlichen Höhen Luftmassen zum gleichen Ort am Boden bringen. Bei Norwegerzyklonen setzt entlang der eingeringelten Okklusion keine Frontolyse ein. Sie befindet sich im Bereich eines PV-Maximums, damit bleiben die Hebungsprozesse aufrecht und es bildet sich kein Sting Jet. Der linke Jetauszug verstärkt aber frontogenetische Prozesse entlang der Kaltfront, sodass sich häufig konvektiv verstärkte linienartige Strukturen ausbilden. Das fördert das (konvektive) Herabmischen des Höhenwinds auch ohne Sting-Jet-Beteiligung.

Im äußeren Erscheinungsbild findet eine markante Verdunstung des Cloud Heads statt, die Wolkenobergrenzen sinken rapide ab, an westlichen Rändern der umgebogenen Front sieht man anhand von Verdickungen hingegen den aufsteigenden Cold Conveyor Belt. Im Radarbild sind nicht zwingend Niederschlagsechos im Bereich des Sting Jets zu erwarten, manchmal sind sie auch bänderförmig und deuten die Freisetzung von CSI, was Sättigung voraussetzt (die im Wolkenkopf vorhanden ist). Es kann sich aber auch um Schwerewellen handeln. Im sichtbaren Satellitenbild treten Auflockerungen oder wolkenlose Bereiche auf und deuten sehr starkes Absinken an.

Im Jetstream auffällig ist bei verschiedenen S-K, dass der Jet knapp vor der maximalen Höhendivergenz auftritt, wenn in der Höhen bereits Konvergenz eingesetzt hat, was im Einklang mit der frontal fracture am Boden ist.

Literatur:

Fallbeispiele

Orkan Klaus (24.01.2009)

Orkan Klaus am 23.01.2009, 18 UTC, RGB

Am Donnerstag, 22. Januar 2009, entwickelte sich zwischen Island und Schottland ein ausgedehnter Orkanwirbel, der für die nachfolgenden Sturm- und Orkantiefs „Joris“ und „Klaus“ als Zentraltief fungierte.

Am Freitag morgen, 23. Januar 2009, lag „Joris“ als vollentwickeltes Sturmtief mit einem Kerndruck von 965hPa über dem Ärmelkanal. Weiter stromaufwärts über dem Nordatlantik war sein Nachfolger „Klaus“ bereits gut in den Satellitenbildern als auch in den Druckkarten auszumachen und wurde vom Deutschen Wetterdienst als Welle mit 995 hPa analysiert. Bis Freitag abend löste sich „Joris“ über Deutschland, wo das Tief orkanartige Sturmböen im südwestdeutschen Flachland brachte sowie Orkanböen bis 151 km/h auf dem Feldberg, allmählich auf. Gleichzeitig vertiefte sich „Klaus“ bis Mitternacht innerhalb 18 Stunden um 30 hPa und erreichte als gefährliches Orkantief die Biskaya.

Zwischen Samstag, 24. Januar 2009, Mitternacht und früher Nachmittag entfaltete „Klaus“ sein ganzes Zerstörungspotential mit dem vor allem rückseitig des Tiefs stark ausgeprägten Druckgradienten. Spitzenreiter bei den Windböen war die Station Punta Candeeira auf 254 m Höhe an der Nordküste Galiziens mit 215 km/h, aber auch sonst wurden verbreitet Orkanböen in Nordspanien und Südfrankreich zwischen 120 und 170 km/h gemeldet. Orkan „Klaus“ hat mindestens 26 Todesopfer gefordert, alleine in Frankreich entstanden Schäden in Höhe von 600 Millionen Euro, hunderttausende Haushalte waren ohne Strom – damit gehört „Klaus“ zu den schwersten Orkantiefs seit „Lothar“ am 26.12.1999.

Orkan Xynthia 28.02.2010

Orkan Xynthia am 28.02.2010, 11 UTC (Infrarot), Quelle: sat24.com

Orkan Xynthia sorgte neben einem Top 3 von Dauerföhn in Innsbruck für schwere Sturmböen über Ostfrankreich, Benelux und Südwestdeutschland. Diese traten beim Durchzug von Stratocumulus-Bewölkung im eingekreisten Bereich auf.

850 hPa isentrope Vertikalgeschwindigkeit (WRF-12km Prognose vom 00z-Lauf, in GFS genestet)

Nicht zuletzt die Vorhersage von GFS-WRF 12km deutete auf kräftiges isentropes Absinken hinter der Kaltfront hin und damit auf einen Sting Jet.

Sturmtief Joachim 16.12.2011

Sturmtief Joachim, 16.12.2011, 13 UTC

Sturmtief Joachim erreichte im Westen Frankreichs Windspitzen bis 140km/h, vor der Küste der Halbinsel Quiberon lief das Frachtschiff TK Bremen auf Grund, was einen Ölteppich zur Folge hatte. In Frankreich waren 400 000 Haushalte vorübergehend ohne Strom. In der Nordwestschweiz zwischen Tavannes und Tramelan entgleiste sturmbedingt ein Zug, drei Personen wurden verletzt. In Oberösterreich erreichte der Sturm Spitzen bis 110km/h im Innviertel, einige Bäume stürzten um, auch Strommasten wurden geknickt. Am Flughafen Salzburg wurden drei Kleinflugzeuge beschädigt.

Insgesamt verlief der Sturm aber glimpflicher als zunächst befürchtet, nicht zuletzt deutete das isentrope Absinken in den Prognosen auf die Entwicklung eines Sting Jets hin, der entweder nicht vorhanden war oder wesentlich schwächer ausfiel.

850 hPa Isentropes Absinken, Prognose für 16.12.11,21 UTC

Orkan Christian 28.10.2013

Kanal 12 und Wasserdampfbild vom 28.Oktober 2013, 12 UTC während Orkan CHRISTIAN, Quelle: Sat Dundee Receiving Station

Anders Orkan Christian, bei dem sich die Wucht des Sting Jets voll entfaltete: Auf Helgoland wurden 169 km/h gemessen, in St. Peter Ording 172 km/h. Auf Sylt 157 km/h, sonst gab es in Küstennähe und auf den Inseln verbreitet 120 bis 150 km/h. In Schleswig-Holstein musste der komplette Zugverkehr eingestellt werden. Deutschlandweit gab es 6 Todesopfer.

Orkan Xavier 05.10.2017

Sturmtief XAVIER ist aus einer Warmfrontwelle eines Tiefs bei Neufundland entstanden und am 4. Oktober vor Irland als eigenständiges Tief in Erscheinung getreten. Es hat die Britischen Inseln unter leichter Vertiefung überquert und über der Nordsee und Norddeutschland den stärksten Druckfall erreicht. Die Spitzenböen traten gemeinsam mit dem „Sting Jet“ auf, als sich das Wolkenband der eingedrehten Warmfront in sehr trockene Luft auf der Rückseite vermischte und verdunstete. In einem schmalen Streifen von der niedersächsischen Nordseeküste über das nördliche Sachsen-Anhalt bis Berlin und Brandenburg gab es verbreitet Böen zwischen 100 und 125 km/h. Die frühe Jahreszeit mit belaubten Bäumen und die Tageszeit haben wesentlich zu Schäden und Todesopfern beigetragen. Es gab schon wesentlich heftigere Stürme in Norddeutschland. Für den Vertiefungsprozess des Sturmtiefs ist selbst eine etwas überdurchschnittlich warme Nordsee eher von untergeordneter Bedeutung aufgrund der hohen Zuggeschwindigkeit („Schnellläufer“) und der größeren Bedeutung der anderen Antriebsterme aus der „Omega-Gleichung“.

RGB-Luftmassenbild vom 05.Oktober 2017, 15.00 UTC, während Orkan XAVIER über Berlin hinwegfegte.

Wie schon bei den vorher gezeigten Beispielen zeigte auch Xavier in der isentropen Vertikalgeschwindigkeit starke Abwärtstendenzen.

Nahezu Analyse (+3 Std.) von WRF-12km der isentropen Vertikalgeschwindigkeit in 850 hPa zum gleichen Zeitpunkt (15z)

Radarbilder von 14.00 MESZ (links) und 17.00 MESZ (rechts). Rot gekennzeichnet der Bereich der Spitzenböen über 90-100km/h.

Radarbilder von 12 und 15 UTC, Quelle: kachelmannwetter.com

Die Radarbilder zeigen sowohl die eingeringelte Warmfront mit den intensiven Niederschlägen, den genretypischen Höhenkaltluftbereich mit den Schauern über Nordwestdeutschland, die aber eben NICHT in Zusammenhang mit den Spitzenböen stehen, und die bänderförmigen Strukturen an der Kaltfront, die ebenfalls nicht zeitgleich mit den Windspitzen vorhanden waren. Nein, die Spitzenwinde traten dort auf, wo geringe bis keine Radarechos zu sehen sind, und zwar nicht zufällig unmittelbar am Südrand der Warmfront, also eben dort, wo der Wolkenschirm in das trockene Absinken gerät und verdunstet.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch der markante Druckanstieg rückseitig mit lokal 120er bis 140er Drucktendenzen (d.h. 14 hPa Druckanstieg innerhalb von 3 Stunden). Bei Orkan LOTHAR war es in etwas das Doppelte! Die Temperatur hat sich beim Durchzug des Kerns von XAVIER hingegen kaum signifikant geändert bzw. ist mit den stärksten Böen sogar kurzzeitig angestiegen (vertikale Durchmischung).

Fallstudie

Sturmtief Friederike 18.01.2018

Sturm FRIEDERIKE zog am 18. Jänner 2018, dem 11. Jahrestag von Orkan KYRILL, über Mitteleuropa hinweg und forderte mehrere Tote, die Einstellung des kompletten Fernverkehrs in Deutschlands sowie immense Waldschäden entlang der deutschen Mittelgebirge. Mit einem minimalen Kerndruck von 976 hPa, erreicht um 11.00 Uhr Lokalzeit in Wittmund (Niedersachsen) handelte es sich nicht um ein ungewöhnlich starkes Sturmtief. Die Druckänderungen („der sogenannte isallobarische Druckgradient) waren dennoch beachtlich: In Norddeutschland wurden vor Durchzug des Tiefdruckkerns verbreitet 100er Drucktendenzen (-10 hPa in 3 Stunden) beobachtet, der Druckanstieg brachte es vor allem in Niedersachsen auf 100 bis 140 Zehntel innerhalb 3 Stunden, der Rekordwert stammt von Friesoythe-Altenoythe nahe Oldenburg, mit 15,7 hPa Anstieg bis 16 Uhr Lokalzeit.

Stärkster Druckanstieg und Spitzenböen fielen nicht zusammen

Bei typischen Sturmtiefs mittlerer Breiten treten die Spitzenböen entweder entlang der (gewittrigen) Kaltfront auf, so wie bei HERWART (29.10.17) oder BURGLIND (3.1.18), oder auf der Tiefrückseite in Zusammenhang mit Höhenkaltluft und schnell nachrückendem Bodenhoch, so wie bei LOTHAR (26.12.1999) oder am 12.01.2007 (unbenanntes Tief). Ausfallend bei FRIEDERIKE ist jedoch, dass die stärksten Windböen weit über 100 km/h nicht mit der Zone des größten Druckanstiegs (über 10 hPa in 3 Stunden) zusammenfiel.  Bei XAVIER (5.10.17) war dies beispielsweise der Fall.

Keine hochreichende Schauer- und Gewitterbildung beteiligt

Die berechnete Labilität für den Bereich der stärksten Höhenwinde war von den meisten Modellen gering, meist zwischen 50 und 150 J/kg, bei deutlich positivem Lifted Index (flache Konvektion) und deutlich versetzt zu den Spitzenböen, erst mit der Höhenkaltluft über der Nordsee nahm auch die Labilität deutlich zu.

RGB-Luftmassenbild vom 18.01.2018, 12 UTC, mit zugehörigem Radarbild von Kachelmann.

Das Luftmassen-Satellitenbild von 13 Uhr Lokalzeit sowie das Radarbild zeigen eine gut ausgeprägte Okklusion, die über Nordostdeutschland für intensiven Schneefall sorgte und die Spitzenböen deutlich dämpfte. Die Warmfront setzt sich über Polen fort. Die Kaltfront an der Vorderkante des Dryslots ist quasi inexistent, mit geringen Temperaturunterschieden und ohne linienhafte Strukturen im Radarbild. Orkanböen wurden zu diesem Zeitpunkt verbreitet über NRW gemessen, wo die Wolkenobergrenzen signifikant niedriger waren als im restlichen Bereich der Zyklone. Sie bilden die Fortsetzung der Okklusion, die im Bereich des Dryslots massiv verdunstet und sich dabei erwärmt. Nach neueren Theorien (z.B. Schultz 2013) ist die Verdunstungskälte nur eine Begleiterscheinung, nicht aber hauptverantwortlich für die Spitzenböen. Entscheidend ist die Frontolyse im Bereich der eingedrehten Warmfront/Okklusion, wo warme Luft absinkt und den starken Höhenwind als Sting Jet herabmischt.

Gegenüberstellung Spitzenböen (24 Std.) von Orkan XAVIER (links) und Sturmtief FRIEDERIKE (rechts), Quelle: Kachelmannwetter.com

Beiden Sturmtiefs ist gemein, dass die Orkanböen nur ein einem verhältnismäßig schmalen Bereich auftraten. Wenn das Norddeutschland betrifft, kräht kein Hahn danach, dort ist man das gewöhnt. XAVIER traf aber zwei Metropolen, Hamburg und Berlin, noch dazu im Zustand belaubter Bäume und zur Rush Hour, FRIEDERIKE betraf das dichtbesiedelste Bundesland Deutschlands (NRW) sowie dichtbewaldete Mittelgebirge, wo entsprechend maximale Schäden für die Verkehrsinfrastruktur und Energieversorgung auftreten können.

Fallstudie

Orkan Leslie 14.10.2018

Orkan Leslie war wenige Stunden zuvor noch ein offiziell vom NHC eingestufter Hurrikan und wandelte sich innerhalb kürzester Zeit zur außertropischen Shapiro-Keyser-Zyklone um.

Infrarotes Satellitenbild vom 13. Oktober 2018, 20.30 UTC, Quelle: Kachelmann (angedeutet Kaltfront, Okklusion und Position des Sting Jets)

Der gefürchtete Sting Jet hat sich voll entwickelt. Gewitter sind zudem in der noch tropischen Luftmasse im Norden Spaniens entstanden, sowie später an der hier noch weitgehend inaktiven Kaltfront. In Coimbra wurde um 23.40 Lokalzeit eine Spitzenböe von 122 km/h gemessen. In Monte Real nahe der Küste waren es um 01.40 Lokalzeit 107 km/h. Die stärksten Schäden sind offenbar bei Figueira da Foz (zwischen Lissabon und Porto) an der Küste aufgetreten, wo 176 km/h (90kt) gemessen wurden. Laut Augenzeugenberichten wurden Ampelanlagen und Bäume umgeknickt.

Fallstudie

Föhn-Sturmtief VAIA, 29/30.Oktober 2018

Tief VAIA wurde in erster Linie durch das markante Hochwasser an der Alpensüdseite bekannt, aber auch durch außergewöhnlich flächendeckende Sturmschäden mit Kaltfrontdurchgang am späten Abend und in der Nacht auf den 30. Oktober 2018.  Die Windmessstationen von den Lawinenwarndiensten maßen verbreitet Orkanböen mit Spitzen zwischen 120 und 180 km/h, lokal traten auch über 200 km/h auf.

Tief VAIA am 29. Oktober 2018, 21 UTC (RGB von Eumetsat)

Der Kaltfrontdurchgang vollzog sich aus einer ungewöhnlichen Richtung, von Südsüdwest nach Nordnordost fortschreitend. Dahinter sanken die Obergrenzen der durchziehenden Schauerwolken deutlich ab, gleichzeitig wurde aus der oberen Troposphäre deutlich trockenere Luft advehiert. Es bleibt vorerst (eigene) Spekulation, ob die frontogenetische Querzirkulation alleine ausreichte, um den intensiven Höhenwind (100-120kt in 3km Höhe) bis in die Tallagen herabzumischen (zusätzlich verstärkt durch Downslope-Effekte), oder ob Verdunstungsprozesse wie bei einem Sting Jet beteiligt waren. Das betrifft auch das kleinräumige Randtief, das in Gestalt eines „dark WV streamers“ von der Zentralschweiz ausgehend nachts über Westösterreich weiterzog und in den Morgenstunden über dem nördlichen Salzburger Land zu teils erheblichen Sturmschäden führte.

Fallstudie